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Damals in Ostpreußen: Der Untergang einer deutschen Provinz


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Rezension von

Daniel Bigalke

Damals in Ostpreußen: Der Untergang einer deutschen Provinz Ostpreußen bleibt eine große Stätte der deutschen Geistesgeschichte: Johann Gottfried Herder, E.T.A. Hoffmann, Siegfried Lenz und schließlich Immanuel Kant prägten das deutsche Denken. Insbesondere mit Kant wurde eine mentale Grundhaltung firmiert, deren Wurzel in Königsberg liegt und das deutsche Denken bis heute prägt. Der Staatsvertrag ist für ihn die allgemeine Verbindlichmachung und die Unbedingtheit des Sittengesetzes. Recht und Staat sind daher die äußere Erscheinungsform der Freiheit unter Bändigung der politischen Willkür. Politik aber rechtfertigt sich einzig und allein aus ihrer Unterstellung unter die Moral des Menschen. Sie steht bei Kant im Dienste der Realisierung des Sittengesetzes und nicht im Dienste der Durchsetzung eines natürlichen Bedürfnisses und Interesses. Darin liegt bei Kant, dem ostpreußischen Philosophen, die Orientierung auf das allgemeine Wohl. Die Vernunft wird als Vernunftwille bestimmt. Als unbezweifelbar und verbindlich gilt nur das, was der Mensch vernünftigerweise wollen kann, woran er sich im sittlichen Willen an das Ganze bindet. Mit Kant entstanden die geistigen Grundlagen eines Preußentums, das seine Wurzen in Königsberg hatte: Toleranz, Staatsräson, Vernunft, Loyalität, Disziplin und Ideologiefreiheit. Nicht lediglich dies machte Ostpreußen zum Kleinod deutschen Denkens und zum Inhalt der Sehnsüchte nicht nur der ostpreußischen Vertriebenen. Die Inbesitznahme Ostpreußens durch den deutschen Orden erfolgte schon 1230. Die Menschen der geistige Wiege Preußens, des vorbildhaften Staatsgebildes, empfanden insbesondere nach dem ersten Weltkrieg eine tiefe Solidarität mit dem Westen. Ostpreußen sah sich infolge des Leidtragens infolge des polnischen Nationalismus gerade jetzt als Teil des Deutschen Reiches und galt vielen Deutschen wiederum als Bollwerk gegen den Bolschewismus. Andreas Kossert erzählt die Geschichte dieses faszinierenden Landes zwischen Weichsel und Memel, seiner Ursprünge und Mythen. Er beschreibt den Alltag in Königsberg, Tilsit und Marienburg und die dramatischen Ereignisse vom Vorabend des Zweiten Weltkriegs bis zur Vertreibung von über zwei Millionen Menschen in den Jahren nach 1945. Im Winter 1945/46 begannen die großen Massenaussiedlungen aus dem deutschen Land. Dreieinhalb Millionen Deutsche wurden aus Ostpreußen vertrieben, aber eine Million blieben. Beschrieben werden das Leben, die Hoffnungen und Ängste der Menschen in Ostpreußen in den Jahren vor und während des Zweiten Weltkriegs. Auffällig ist, daß es durchaus um eine Wiederentdeckung ostpreußischer Geschichte und Kultur aus deutscher Perspektive geht, wobei der Autor gerade dem unvergänglichen Zauber ostpreußischer Landschaft gerecht werden will. Der Autor nähert sich einem hoch emotionalen Thema, von dem viele deutsche Familien betroffen sind. Die Analyse begründet einen Entwurf Ostpreußens, basierend auf der Einsicht in „Preußens Ursprünge in Ostpreußen“, die auch von der dynamischen Kraft eines Einwanderungslandes zeugen. Mitten in den ostpreußischen Sommer 1944 brach der Krieg. In Turowen z.B., Kreis Johannisburg, wurden beim Einmarsch der Sowjets Frauen ermordet, die meisten über 70 Jahre alt. Beim Einrücken in Schönwalde am 22. Januar 1945 wurden 100 Bewohner grausam ermordet. Die deutsche Kulturlandschaft in Ostpreußen ging unter. Am 30. August fiel eine totbringende Bombenlast auf Königsberg. Sie forderte 4.200 Tote. Die Stadt Königsberg war eine Brache. Die verbliebene Königsberger Bevölkerung dezimierte sich um 80 Prozent. Polnische Banden marodierten. Die verbleibenden Deutschen widersetzten sich der brutalen Polonisierung und unterlagen dem Herrschaftsanspruch der neuen Machthaber. Bisher kaum beachtet: Als ab dem Frühjahr 1939 die Verfolgung der Deutschen im Osten wieder schärfste Formen annahm, setzte bereits hier eine Massenflucht von Deutschen ein. Bis zum August, dem Monat vor dem Kriegsbeginn, waren über 76.000 Menschen in das Reichsgebiet geflohen und 18.000 zusätzlich in den Freistaat Danzig. Die sich dramatisch verschlechternde Lage der Volksdeutschen im Osten und die Massenflucht vom Sommer 1939 haben das seit langem schwelende Danzig-Korridor-Problem überdeckt. Heute ist von dem Los der Volksdeutschen in Polen und von der Massenflucht im Sommer 1939 in unseren Schulgeschichtsbüchern kein einziger Satz zu lesen. Auch im vorliegenden Buch kommt dieser Aspekt nicht vor. Für die meisten Deutschen im Reichsgebiet war die Niederlage Polens 1939 eine Befreiung der Millionen Volksdeutschen von jahrzehntelanger Drangsalierung und aufgezwungener Fremdherrschaft. Diese Befreiung hätten viele Deutsche gerne auf dem Verhandlungsweg und ohne Krieg erreicht. Solange der Heimatverlust eines Fünftels der deutschen Bevölkerung ausgeklammert bleibt, ist die Aufarbeitung der Vergangenheit nicht geleistet. Insofern ist das Buch zu begrüßen, hätte aber eben wesentlich Aspekte mit benennen müssen. Bis heute macht die Erinnerung und die Sehnsucht der Deutschen nach Ostpreußen dieses Land zu ihrer Heimat und wehrt sich gegen ideologische Diskriminierungsmaßnahmen, die sich noch immer aus einer vermeintlich “falschen“ Geschichtsauffassung ergeben, wonach die Vertreibung ausschließlich von Deutschland verursacht worden bzw. „gerechte Strafe“ sei. Entgegen solcher geistigen Brandstiftung erfreut den Leser besonders, daß der Autor lyrische Exkurse im Buch aufnimmt, so wie etwa folgendes Gedicht: Land der dunklen Wälder Und kristallnen Seen, über weite Felder lichte Wunder gehn. Starke Bauern schreiten Hinter Pferd und Pflug, über Ackerbreiten streicht der Vogelzug. Tag ist aufgegangen Über Haff und Moor, Licht hat angefangen, steigt im Ost empor.

Ostpreußen bleibt eine große Stätte der deutschen Geistesgeschichte: Johann Gottfried Herder, E.T.A. Hoffmann, Siegfried Lenz und schließlich Immanuel Kant prägten das deutsche Denken. Insbesondere mit Kant wurde eine mentale Grundhaltung firmiert, deren Wurzel in Königsberg liegt und das deutsche Denken bis heute prägt. Der Staatsvertrag ist für ihn die allgemeine Verbindlichmachung und die Unbedingtheit des Sittengesetzes. Recht und Staat sind daher die äußere Erscheinungsform der Freiheit unter Bändigung der politischen Willkür. Politik aber rechtfertigt sich einzig und allein aus ihrer Unterstellung unter die Moral des Menschen. Sie steht bei Kant im Dienste der Realisierung des Sittengesetzes und nicht im Dienste der Durchsetzung eines natürlichen Bedürfnisses und Interesses.

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Darin liegt bei Kant, dem ostpreußischen Philosophen, die Orientierung auf das allgemeine Wohl. Die Vernunft wird als Vernunftwille bestimmt. Als unbezweifelbar und verbindlich gilt nur das, was der Mensch vernünftigerweise wollen kann, woran er sich im sittlichen Willen an das Ganze bindet. Mit Kant entstanden die geistigen Grundlagen eines Preußentums, das seine Wurzen in Königsberg hatte: Toleranz, Staatsräson, Vernunft, Loyalität, Disziplin und Ideologiefreiheit. Nicht lediglich dies machte Ostpreußen zum Kleinod deutschen Denkens und zum Inhalt der Sehnsüchte nicht nur der ostpreußischen Vertriebenen.

Die Inbesitznahme Ostpreußens durch den deutschen Orden erfolgte schon 1230. Die Menschen der geistige Wiege Preußens, des vorbildhaften Staatsgebildes, empfanden insbesondere nach dem ersten Weltkrieg eine tiefe Solidarität mit dem Westen. Ostpreußen sah sich infolge des Leidtragens infolge des polnischen Nationalismus gerade jetzt als Teil des Deutschen Reiches und galt vielen Deutschen wiederum als Bollwerk gegen den Bolschewismus.

Andreas Kossert erzählt die Geschichte dieses faszinierenden Landes zwischen Weichsel und Memel, seiner Ursprünge und Mythen. Er beschreibt den Alltag in Königsberg, Tilsit und Marienburg und die dramatischen Ereignisse vom Vorabend des Zweiten Weltkriegs bis zur Vertreibung von über zwei Millionen Menschen in den Jahren nach 1945. Im Winter 1945/46 begannen die großen Massenaussiedlungen aus dem deutschen Land. Dreieinhalb Millionen Deutsche wurden aus Ostpreußen vertrieben, aber eine Million blieben. Beschrieben werden das Leben, die Hoffnungen und Ängste der Menschen in Ostpreußen in den Jahren vor und während des Zweiten Weltkriegs. Auffällig ist, daß es durchaus um eine Wiederentdeckung ostpreußischer Geschichte und Kultur aus deutscher Perspektive geht, wobei der Autor gerade dem unvergänglichen Zauber ostpreußischer Landschaft gerecht werden will. Der Autor nähert sich einem hoch emotionalen Thema, von dem viele deutsche Familien betroffen sind. Die Analyse begründet einen Entwurf Ostpreußens, basierend auf der Einsicht in „Preußens Ursprünge in Ostpreußen“, die auch von der dynamischen Kraft eines Einwanderungslandes zeugen.

Mitten in den ostpreußischen Sommer 1944 brach der Krieg. In Turowen z.B., Kreis Johannisburg, wurden beim Einmarsch der Sowjets Frauen ermordet, die meisten über 70 Jahre alt. Beim Einrücken in Schönwalde am 22. Januar 1945 wurden 100 Bewohner grausam ermordet. Die deutsche Kulturlandschaft in Ostpreußen ging unter. Am 30. August fiel eine totbringende Bombenlast auf Königsberg. Sie forderte 4.200 Tote. Die Stadt Königsberg war eine Brache. Die verbliebene Königsberger Bevölkerung dezimierte sich um 80 Prozent. Polnische Banden marodierten. Die verbleibenden Deutschen widersetzten sich der brutalen Polonisierung und unterlagen dem Herrschaftsanspruch der neuen Machthaber.

Bisher kaum beachtet: Als ab dem Frühjahr 1939 die Verfolgung der Deutschen im Osten wieder schärfste Formen annahm, setzte bereits hier eine Massenflucht von Deutschen ein. Bis zum August, dem Monat vor dem Kriegsbeginn, waren über 76.000 Menschen in das Reichsgebiet geflohen und 18.000 zusätzlich in den Freistaat Danzig. Die sich dramatisch verschlechternde Lage der Volksdeutschen im Osten und die Massenflucht vom Sommer 1939 haben das seit langem schwelende Danzig-Korridor-Problem überdeckt. Heute ist von dem Los der Volksdeutschen in Polen und von der Massenflucht im Sommer 1939 in unseren Schulgeschichtsbüchern kein einziger Satz zu lesen. Auch im vorliegenden Buch kommt dieser Aspekt nicht vor. Für die meisten Deutschen im Reichsgebiet war die Niederlage Polens 1939 eine Befreiung der Millionen Volksdeutschen von jahrzehntelanger Drangsalierung und aufgezwungener Fremdherrschaft. Diese Befreiung hätten viele Deutsche gerne auf dem Verhandlungsweg und ohne Krieg erreicht.

Solange der Heimatverlust eines Fünftels der deutschen Bevölkerung ausgeklammert bleibt, ist die Aufarbeitung der Vergangenheit nicht geleistet. Insofern ist das Buch zu begrüßen, hätte aber eben wesentlich Aspekte mit benennen müssen. Bis heute macht die Erinnerung und die Sehnsucht der Deutschen nach Ostpreußen dieses Land zu ihrer Heimat und wehrt sich gegen ideologische Diskriminierungsmaßnahmen, die sich noch immer aus einer vermeintlich “falschen“ Geschichtsauffassung ergeben, wonach die Vertreibung ausschließlich von Deutschland verursacht worden bzw. „gerechte Strafe“ sei. Entgegen solcher geistigen Brandstiftung erfreut den Leser besonders, daß der Autor lyrische Exkurse im Buch aufnimmt, so wie etwa folgendes Gedicht:

Land der dunklen Wälder

Und kristallnen Seen,

über weite Felder

lichte Wunder gehn.

Starke Bauern schreiten

Hinter Pferd und Pflug,

über Ackerbreiten

streicht der Vogelzug.

Tag ist aufgegangen

Über Haff und Moor,

Licht hat angefangen,

steigt im Ost empor.

geschrieben am 14.02.2009 | 772 Wörter | 4892 Zeichen

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