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Föderalismus als Weltanschauung


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Rezension von

Daniel Bigalke

Föderalismus als Weltanschauung Für viele politische Philosophen beruht die Höhe der Kultur auf Geistigkeit und innerer Gesittung in Gemeinschaft. Da für den Individualismus das Einzelwesen der höchste Wert ist, so ist die Gemeinschaft für diese Autoren damit diskreditiert. Die Seelenlosigkeit des individualistischen Menschen und die sittliche Hemmungslosigkeit als Folge sind die zentralen Themen des Philosophen und Juristen Edgar Julius Jung (1894-1934) gewesen. Er war davon überzeugt, dass es nach dem 1. Weltkrieg niemand wirklich gewagt habe, im deutschen Geiste eine nicht individualistische Regierungsform zu ersinnen, die dem Deutschen innerlich angemessen ist. Oftmals wird Jung heute naiv als „Nationalist“ eingestuft. Dies ist ein folgenschwerer Irrtum, der an Ignoranz gegenüber seiner Vielzahl an politischen Schriften nicht zu überbieten ist. Edgar Jung, der sich noch in der ersten Auflage seiner Herrschaft der Minderwertigen (1927) für einen Neuen Nationalismus aussprach, wandte sich in der zweiten Auflage (1929) von diesem ab. Nationalismus sei eine Schöpfung des romanischen Denkens, abstrakt und unorganisch, und eben deshalb deutschem Denken von Haus aus fremd. Er entspringe aus der Staatsvergottung der Franzosen. Außerdem sei er expansiv und imperialistisch und führe zu einer selbstsüchtigen Politik. Der Nationalismus ist für Jung Ausdruck des staatszentristischen Denkens, das fernab von der Rücksichtnahme auf körperschaftliche oder föderalistische Gliederung steht. Jung setzte also dagegen nunmehr die bewusste Abwendung vom westlichen Nationalstaatsgedanken, die Besinnung auf die übernationale Sendung des deutschen Volkes, das die Aufgabe habe, den abendländischen Kulturkreis vor Zersetzung zu retten und Träger der Wiederverchristlichung zu sein. Über die politische Form, die den Nationalstaat ersetzen solle, hatte er lange nachgesinnt. Es war die Idee des Reiches. Die dem zugrunde liegende weltanschauliche Entwicklung Jungs dokumentiert sich in erster Linie in einer seiner Hauptschriften „Föderalismus als Weltanschauung“ von 1931. Sie liegt nunmehr im Superbia Verlag erstmals wieder vor. Jung lehnte also die von Richelieu begründete Nationalstaatsidee ab. In einem starken gegenüber der Zentralgewalt durchsetzungsfähigen Föderalismus sieht er in der vorliegenden Schrift die natürliche Fortsetzung der deutschen Kleinstaaterei, die ihrerseits den Gegenpol zum zentralistischen französischen Staatsmodell bilde. Je stärker das individualistische Denken sicht ausgeprägt habe, umso stärker sei auch die Interessenherrschaft im zentralistischen Staate gewachsen. Seine Gleichheitslehre vernichte jede natürliche Gliederung mit der Folge, daß es nur noch eine atomisierte Masse von „Staatsbürgern“ und eine angeblich aus ihnen hervorgegangene Regierung gebe, die nach vollendeter Wahl behauptet, mehrheitlich gewählt worden zu sein, ohne dass diese vermeintlichen Mehrheiten noch repräsentativ sind. Fazit Jungs: Die lebendige Einheit des Ganzen verschwindet – und um genau diese geht es ihm auch in seinem Föderalismuskonzept. Der Staat bedürfe einer gesellschaftlichen Grundlage – der Körperschaft. Sie allein widerspreche effektiv der staatlichen Omnipotenz und stifte subsidiäre Gemeinschaft. Der innere Föderalismus der deutschen Regionen untereinander müsse nach Jungs Auffassung zudem in einen äußeren Föderalismus der europäischen Nationen überführt werden, der in der Errichtung eines übernationalen europäischen Imperiums gipfeln solle. Anfang der 1930er Jahre drängte Jung im Sinne seines hiesigen Föderalismuskonzepts auch auf die Lösung des Problems des Dualismus Preußen/Deutschland. Als Mittel zur Lösung des Gegensatzes Preußen/Reich schwebte ihm die Wiederherstellung der föderalistischen Ordnung im Norden und im Westen des Reiches vor. Seine Forderung nach einer föderalistischen Erneuerung des Reiches begründete Jung außenpolitisch: Die deutschen Volksgruppen die nach 1919 unter die Herrschaft anderer Staaten geraten waren konnten mit den Mehrheitsvölkern nur ausgesöhnt werden, wenn die Gaststaaten ihrerseits eine föderalistische Ordnung annehmen würden, die fremden Volksgruppen die Beibehaltung ihrer Eigenständigkeit ermöglichen würde. Dies sei aber nur zu erwarten, wenn das Reich mit gutem Beispiel vorangehe und ein echter Bundesstaat würde. Edgar Jung vertritt also ein föderalistisches Modell, in dem Provinzen, Länder, Bundesstaaten sowie verbündete Staaten unter weitgehender Selbstverwaltung zu einem Reichsverband zusammengeschlossen sind, dessen institutionelle Spitze über die außenpolitische, wirtschafts- und bevölkerungspolitische Prärogative verfügt. Fazit Jungs: Die Selbstverwaltung kleiner Räume im Sinne der Subsidiarität kann nicht weit genug gehen. Je freiheitlicher und unmittelbarer die Demokratie, umso gesünder! Ähnliche föderalistische Plädoyers für die Reichsidee als einer Alternative zum nationalistischen, „ethnokratischen“ Imperialismus westeuropäischer Provenienz finden sich auch bei Boehm oder Freyer und haben auch auf Carl Schmitts Konzeption einer völkerrechtlichen Großraumordnung gewirkt. Sehr wichtig in dieser Schrift ist der auf Jungs Föderalismusbegriff basierende Exkurs zu dem, was er unter dem Konzept vom Reich versteht. Er betont: Der deutsche Reichsgedanke war stets geprägt vom Universalismus, länderübergreifend und deshalb wohl wissend, daß der Nationalismus ausschließlich ein staatliches Phänomen ist und sich nicht aus dem Reichsgedanken ergeben kann. Das deutsche Reich hat mit Nationalismus nichts zu tun. Im Gegenteil! - Das ewige Ideal „Deutschland“ und sein Reichsbegriff basieren auf der Vorstellung einer höheren Einheit, die über das mechanische Staatsdenken hinausgeht und sich im kulturellen Reichtum deutscher Regionen und ganz Mitteleuropas und in den dort aufgespeicherten ideellen Werten widerspiegelt. Der Reichsgedanke bedeutet für Jung im Innern körperschaftliche Gliederung und ist mehr als jene verwaltungstechnischen Beziehungen und Anspruchshaltungen, die sogenannte moderne Demokratien mit sich führen. So verwundert es nicht, dass es für Jung eine wahrhaft föderalistische Umgestaltung des Reiches im organischen Sinne nur geben kann, solange das unitarische Wahlrecht seinen Einfluss verliere. Insgesamt handelt es sich bei diesem Buch um eine politische Grundlagenlektüre, die Gemeinschaft, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung im Bewusstsein einer höheren und elektoral nicht fassbaren politischen Einheit stiften will und aktueller denn je ist, insbesondere, wenn Jung es als kapitalistische Denkweise brandmarkt, wenn deutsche Regionen nach „Zuschussregionen“ und nach den aus ihnen quellenden Steuererträgnissen beurteilt werden. Wichtig sei vielmehr – so auch heute wieder - der besondere kulturelle Beitrag für das Ganze!

Für viele politische Philosophen beruht die Höhe der Kultur auf Geistigkeit und innerer Gesittung in Gemeinschaft. Da für den Individualismus das Einzelwesen der höchste Wert ist, so ist die Gemeinschaft für diese Autoren damit diskreditiert. Die Seelenlosigkeit des individualistischen Menschen und die sittliche Hemmungslosigkeit als Folge sind die zentralen Themen des Philosophen und Juristen Edgar Julius Jung (1894-1934) gewesen. Er war davon überzeugt, dass es nach dem 1. Weltkrieg niemand wirklich gewagt habe, im deutschen Geiste eine nicht individualistische Regierungsform zu ersinnen, die dem Deutschen innerlich angemessen ist. Oftmals wird Jung heute naiv als „Nationalist“ eingestuft. Dies ist ein folgenschwerer Irrtum, der an Ignoranz gegenüber seiner Vielzahl an politischen Schriften nicht zu überbieten ist.

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Edgar Jung, der sich noch in der ersten Auflage seiner Herrschaft der Minderwertigen (1927) für einen Neuen Nationalismus aussprach, wandte sich in der zweiten Auflage (1929) von diesem ab. Nationalismus sei eine Schöpfung des romanischen Denkens, abstrakt und unorganisch, und eben deshalb deutschem Denken von Haus aus fremd. Er entspringe aus der Staatsvergottung der Franzosen. Außerdem sei er expansiv und imperialistisch und führe zu einer selbstsüchtigen Politik. Der Nationalismus ist für Jung Ausdruck des staatszentristischen Denkens, das fernab von der Rücksichtnahme auf körperschaftliche oder föderalistische Gliederung steht.

Jung setzte also dagegen nunmehr die bewusste Abwendung vom westlichen Nationalstaatsgedanken, die Besinnung auf die übernationale Sendung des deutschen Volkes, das die Aufgabe habe, den abendländischen Kulturkreis vor Zersetzung zu retten und Träger der Wiederverchristlichung zu sein. Über die politische Form, die den Nationalstaat ersetzen solle, hatte er lange nachgesinnt. Es war die Idee des Reiches. Die dem zugrunde liegende weltanschauliche Entwicklung Jungs dokumentiert sich in erster Linie in einer seiner Hauptschriften „Föderalismus als Weltanschauung“ von 1931. Sie liegt nunmehr im Superbia Verlag erstmals wieder vor.

Jung lehnte also die von Richelieu begründete Nationalstaatsidee ab. In einem starken gegenüber der Zentralgewalt durchsetzungsfähigen Föderalismus sieht er in der vorliegenden Schrift die natürliche Fortsetzung der deutschen Kleinstaaterei, die ihrerseits den Gegenpol zum zentralistischen französischen Staatsmodell bilde. Je stärker das individualistische Denken sicht ausgeprägt habe, umso stärker sei auch die Interessenherrschaft im zentralistischen Staate gewachsen. Seine Gleichheitslehre vernichte jede natürliche Gliederung mit der Folge, daß es nur noch eine atomisierte Masse von „Staatsbürgern“ und eine angeblich aus ihnen hervorgegangene Regierung gebe, die nach vollendeter Wahl behauptet, mehrheitlich gewählt worden zu sein, ohne dass diese vermeintlichen Mehrheiten noch repräsentativ sind.

Fazit Jungs: Die lebendige Einheit des Ganzen verschwindet – und um genau diese geht es ihm auch in seinem Föderalismuskonzept. Der Staat bedürfe einer gesellschaftlichen Grundlage – der Körperschaft. Sie allein widerspreche effektiv der staatlichen Omnipotenz und stifte subsidiäre Gemeinschaft.

Der innere Föderalismus der deutschen Regionen untereinander müsse nach Jungs Auffassung zudem in einen äußeren Föderalismus der europäischen Nationen überführt werden, der in der Errichtung eines übernationalen europäischen Imperiums gipfeln solle. Anfang der 1930er Jahre drängte Jung im Sinne seines hiesigen Föderalismuskonzepts auch auf die Lösung des Problems des Dualismus Preußen/Deutschland. Als Mittel zur Lösung des Gegensatzes Preußen/Reich schwebte ihm die Wiederherstellung der föderalistischen Ordnung im Norden und im Westen des Reiches vor. Seine Forderung nach einer föderalistischen Erneuerung des Reiches begründete Jung außenpolitisch: Die deutschen Volksgruppen die nach 1919 unter die Herrschaft anderer Staaten geraten waren konnten mit den Mehrheitsvölkern nur ausgesöhnt werden, wenn die Gaststaaten ihrerseits eine föderalistische Ordnung annehmen würden, die fremden Volksgruppen die Beibehaltung ihrer Eigenständigkeit ermöglichen würde. Dies sei aber nur zu erwarten, wenn das Reich mit gutem Beispiel vorangehe und ein echter Bundesstaat würde.

Edgar Jung vertritt also ein föderalistisches Modell, in dem Provinzen, Länder, Bundesstaaten sowie verbündete Staaten unter weitgehender Selbstverwaltung zu einem Reichsverband zusammengeschlossen sind, dessen institutionelle Spitze über die außenpolitische, wirtschafts- und bevölkerungspolitische Prärogative verfügt.

Fazit Jungs: Die Selbstverwaltung kleiner Räume im Sinne der Subsidiarität kann nicht weit genug gehen. Je freiheitlicher und unmittelbarer die Demokratie, umso gesünder!

Ähnliche föderalistische Plädoyers für die Reichsidee als einer Alternative zum nationalistischen, „ethnokratischen“ Imperialismus westeuropäischer Provenienz finden sich auch bei Boehm oder Freyer und haben auch auf Carl Schmitts Konzeption einer völkerrechtlichen Großraumordnung gewirkt. Sehr wichtig in dieser Schrift ist der auf Jungs Föderalismusbegriff basierende Exkurs zu dem, was er unter dem Konzept vom Reich versteht. Er betont: Der deutsche Reichsgedanke war stets geprägt vom Universalismus, länderübergreifend und deshalb wohl wissend, daß der Nationalismus ausschließlich ein staatliches Phänomen ist und sich nicht aus dem Reichsgedanken ergeben kann. Das deutsche Reich hat mit Nationalismus nichts zu tun. Im Gegenteil! - Das ewige Ideal „Deutschland“ und sein Reichsbegriff basieren auf der Vorstellung einer höheren Einheit, die über das mechanische Staatsdenken hinausgeht und sich im kulturellen Reichtum deutscher Regionen und ganz Mitteleuropas und in den dort aufgespeicherten ideellen Werten widerspiegelt. Der Reichsgedanke bedeutet für Jung im Innern körperschaftliche Gliederung und ist mehr als jene verwaltungstechnischen Beziehungen und Anspruchshaltungen, die sogenannte moderne Demokratien mit sich führen. So verwundert es nicht, dass es für Jung eine wahrhaft föderalistische Umgestaltung des Reiches im organischen Sinne nur geben kann, solange das unitarische Wahlrecht seinen Einfluss verliere.

Insgesamt handelt es sich bei diesem Buch um eine politische Grundlagenlektüre, die Gemeinschaft, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung im Bewusstsein einer höheren und elektoral nicht fassbaren politischen Einheit stiften will und aktueller denn je ist, insbesondere, wenn Jung es als kapitalistische Denkweise brandmarkt, wenn deutsche Regionen nach „Zuschussregionen“ und nach den aus ihnen quellenden Steuererträgnissen beurteilt werden. Wichtig sei vielmehr – so auch heute wieder - der besondere kulturelle Beitrag für das Ganze!

geschrieben am 02.06.2009 | 881 Wörter | 5872 Zeichen

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