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Reflections in a Serpent’s Eye


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Rezension von

Anna Kneisel

Reflections in a Serpent’s Eye Micaela Janan bespricht Ovids außergewöhnliche Geschichte der Gründung Thebens in „Reflections in a Serpent’s Eye“ vor dem Hintergrund der aktuellen Tendenz in der Klassischen Philologie, antike Mythen nach psychoanalytischen Gesichtspunkten zu interpretieren, insbesondere in der Nachfolge von Freud. Meist konzentrierten sich psychoanalytische Theoretiker bei der Untersuchung von Mythen, die auf ihre psychologischen Hauptmerkmale reduziert wurden, auf weniger komplexe Darstellungen jener Mythen und nicht so sehr auf die Erzählversionen Ovids, der bewusst spielerisch und dabei dennoch als poeta doctus erkennbar und sehr kunstfertig mit den Stoffen umging. Die Autorin belässt es bei ihren Ausführungen zu Ovids Theben und den verschiedenen Charakteren jedoch nicht bei einer einseitigen Darstellung, sondern vergleicht seine Herangehensweise mit derjenigen moderner Autoren, beispielsweise T.S. Eliot oder Hardie. Sie stellt nicht umsonst Narziss auf eine herausragende Position in ihrer Monographie, einerseits Narziss als Ödipus, andererseits auch die Beziehung zwischen Narziss und Echo. Die Autorin nennt entsprechende Textstellen aus den Metamorphosen, Tristien und anderen Werken Ovids, und die umfangreichen Fußnoten geben über die üblichen Quellenangaben hinaus umfangreiche Zusatzinformationen. Das Individuum und das Selbst, Sprache und Intersubjektivität stehen im Mittelpunkt, sowie die Bedeutung von Anarchie und Ordnung in der menschlichen Gesellschaft. Janan versucht auf diesem Weg, eine Brücke von der Antike mit ihren Mythen zur Moderne und der modernen Rezeption zu schlagen. Ein umfangreiches Einleitungskapitel zur Vorgehensweise mit Bezugnahme auf eine Vielzahl bedeutender Namen wie Gian Biagio Conte, Alessandro Barchiesi und auch Stephen Hinds gibt die Richtung des Bandes vor: Intertextualität wird hier groß geschrieben, denn ein poetischer Text erhält seine Bedeutung in der Relation zu den unzähligen anderen Ausdrucksweisen der literarischen Tradition, so Janan. Kontext sei dabei theoretisch grenzenlos und weder durch das zu umschreiben, was der Autor meinte, noch durch das, was das zeitgenössische Publikum verstanden hätte. In Kapitel 2 ‘In Nomine Patris: Ovid’s Theban Law’, wird auf Agenor und die „savagery of law“ eingegangen: Er will seinen Sohn Cadmus ins Exil schicken, falls dieser Europa nicht findet, die von Jupiter entführt wurde. Bei Ovid liest sich dieser Beschluss sowohl als Ausdruck von pietas als auch scelus, sodass Janan zufolge Agenor zur sadistischen und vernunftlosen Kehrseite des Gesetzes wird. Der Bogen wird in diesem Kapitel auch zu den politischen Umständen der augusteischen Zeit, also der Zeit Ovids geschlagen. Kapitel 3 trägt den Titel ‘“Th’ Unconquerable Will, and Study of Revenge”: Juno in Thebes’. Es analysiert den Charakter Junos und macht deutlich, dass es Eifersucht ist, die sie gegen Jupiters (oft unfreiwillige) Gespielinnen vorgehen lässt. Der Höhepunkt ihres Rachefeldzuges wird offensichtlich in Theben erreicht. Janan bemerkt weiter, dass Juno am meisten dann sie selbst ist, wenn sie andere auslöscht. Sie beschreibt jedoch ihr Verhalten vor dem Hintergrund der Theorien von Freud, Lacan und Zizek. Die Kapitel 4 (‘Narcissus and Echo: The Arrows of Love’s Errors’) und 5 ( “Through a Glass, Darkly”: Narcissus as Oedipus) haben weiter die Mann-Frau-Beziehung und die Wahrnehmung der „slippery of identity“ im Fokus. Micaela Janan sieht die Charaktere als Beispiele für wesentliche Merkmale zwischenmenschlicher Beziehungen mitsamt ihrem Scheitern. Kapitel 6 ‘Pentheus Monsters Thebes’ befasst sich mit Theben als ideale Stadt auf der einen Seite mit dem Individuum als selbständigem Bestandteil, auf der anderen Seite aber auch als das genaue Gegenteil. Ovid beschreibt eine Welt, die immer im Fortschritt begriffen ist und in der die Unterscheidung zwischen guter und schlechter Gewalt zu einem bloßen Konstrukt wird. Janan verbindet dabei die Schlange in Theben mit der römischen Wölfin und versteht die Pentheus-Geschichte auch als Kommentar zum augusteischen Herrschaftsdenken mit dem ostentativen aber gleichzeitig nicht völlig echten Hochhalten von Gesetz und Ordnung. Chronologisch geht es in Kapitel 7 nun weiter zu der Zeit nach Augustus: ‘Ovid and the Epic Tradition: The Post-Augustans’. Sowohl Ovid als auch Vergil werden zu häufig zitierten Vorbildern, wobei Janan jedoch Autoren wie Lukan, Statius und Valerius Flaccus als Nachfolger beider sieht. Anders als zu erwarten liegt der Schwerpunkt von Janans Ausführungen jedoch nicht auf Ovids Werken sonder vielmehr bei der modernen Rezeption der Mythen und man kann sich nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass die Autorin Ovids Werke den psychoanalytisch geprägten Theorien anpasst und nicht andersherum – was nicht passt, wird passend gemacht. Dies hat zur Folge, dass ihr Werk ein wenig an Überzeugungskraft einbüßt – ein unnötiger Verlust, da Ovid doch so verständig wie kaum ein anderer die menschliche Psyche durchschaute und spielerisch mit den wirkenden Triebkräften im menschlichen Miteinander umging. Dennoch: Die umfassende Verknüpfung mit den unterschiedlichsten Werken ist beeindruckend und zeigt eine tiefgehende Beschäftigung mit der Thematik, durch die moderne und antike Literatur im Kontext gesehen werden. – Nicht nur für Altphilologen geeignet.

Micaela Janan bespricht Ovids außergewöhnliche Geschichte der Gründung Thebens in „Reflections in a Serpent’s Eye“ vor dem Hintergrund der aktuellen Tendenz in der Klassischen Philologie, antike Mythen nach psychoanalytischen Gesichtspunkten zu interpretieren, insbesondere in der Nachfolge von Freud. Meist konzentrierten sich psychoanalytische Theoretiker bei der Untersuchung von Mythen, die auf ihre psychologischen Hauptmerkmale reduziert wurden, auf weniger komplexe Darstellungen jener Mythen und nicht so sehr auf die Erzählversionen Ovids, der bewusst spielerisch und dabei dennoch als poeta doctus erkennbar und sehr kunstfertig mit den Stoffen umging. Die Autorin belässt es bei ihren Ausführungen zu Ovids Theben und den verschiedenen Charakteren jedoch nicht bei einer einseitigen Darstellung, sondern vergleicht seine Herangehensweise mit derjenigen moderner Autoren, beispielsweise T.S. Eliot oder Hardie. Sie stellt nicht umsonst Narziss auf eine herausragende Position in ihrer Monographie, einerseits Narziss als Ödipus, andererseits auch die Beziehung zwischen Narziss und Echo. Die Autorin nennt entsprechende Textstellen aus den Metamorphosen, Tristien und anderen Werken Ovids, und die umfangreichen Fußnoten geben über die üblichen Quellenangaben hinaus umfangreiche Zusatzinformationen.

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Das Individuum und das Selbst, Sprache und Intersubjektivität stehen im Mittelpunkt, sowie die Bedeutung von Anarchie und Ordnung in der menschlichen Gesellschaft. Janan versucht auf diesem Weg, eine Brücke von der Antike mit ihren Mythen zur Moderne und der modernen Rezeption zu schlagen.

Ein umfangreiches Einleitungskapitel zur Vorgehensweise mit Bezugnahme auf eine Vielzahl bedeutender Namen wie Gian Biagio Conte, Alessandro Barchiesi und auch Stephen Hinds gibt die Richtung des Bandes vor: Intertextualität wird hier groß geschrieben, denn ein poetischer Text erhält seine Bedeutung in der Relation zu den unzähligen anderen Ausdrucksweisen der literarischen Tradition, so Janan. Kontext sei dabei theoretisch grenzenlos und weder durch das zu umschreiben, was der Autor meinte, noch durch das, was das zeitgenössische Publikum verstanden hätte.

In Kapitel 2 ‘In Nomine Patris: Ovid’s Theban Law’, wird auf Agenor und die „savagery of law“ eingegangen: Er will seinen Sohn Cadmus ins Exil schicken, falls dieser Europa nicht findet, die von Jupiter entführt wurde. Bei Ovid liest sich dieser Beschluss sowohl als Ausdruck von pietas als auch scelus, sodass Janan zufolge Agenor zur sadistischen und vernunftlosen Kehrseite des Gesetzes wird. Der Bogen wird in diesem Kapitel auch zu den politischen Umständen der augusteischen Zeit, also der Zeit Ovids geschlagen.

Kapitel 3 trägt den Titel ‘“Th’ Unconquerable Will, and Study of Revenge”: Juno in Thebes’. Es analysiert den Charakter Junos und macht deutlich, dass es Eifersucht ist, die sie gegen Jupiters (oft unfreiwillige) Gespielinnen vorgehen lässt. Der Höhepunkt ihres Rachefeldzuges wird offensichtlich in Theben erreicht. Janan bemerkt weiter, dass Juno am meisten dann sie selbst ist, wenn sie andere auslöscht. Sie beschreibt jedoch ihr Verhalten vor dem Hintergrund der Theorien von Freud, Lacan und Zizek.

Die Kapitel 4 (‘Narcissus and Echo: The Arrows of Love’s Errors’) und 5 ( “Through a Glass, Darkly”: Narcissus as Oedipus) haben weiter die Mann-Frau-Beziehung und die Wahrnehmung der „slippery of identity“ im Fokus. Micaela Janan sieht die Charaktere als Beispiele für wesentliche Merkmale zwischenmenschlicher Beziehungen mitsamt ihrem Scheitern.

Kapitel 6 ‘Pentheus Monsters Thebes’ befasst sich mit Theben als ideale Stadt auf der einen Seite mit dem Individuum als selbständigem Bestandteil, auf der anderen Seite aber auch als das genaue Gegenteil. Ovid beschreibt eine Welt, die immer im Fortschritt begriffen ist und in der die Unterscheidung zwischen guter und schlechter Gewalt zu einem bloßen Konstrukt wird. Janan verbindet dabei die Schlange in Theben mit der römischen Wölfin und versteht die Pentheus-Geschichte auch als Kommentar zum augusteischen Herrschaftsdenken mit dem ostentativen aber gleichzeitig nicht völlig echten Hochhalten von Gesetz und Ordnung.

Chronologisch geht es in Kapitel 7 nun weiter zu der Zeit nach Augustus: ‘Ovid and the Epic Tradition: The Post-Augustans’. Sowohl Ovid als auch Vergil werden zu häufig zitierten Vorbildern, wobei Janan jedoch Autoren wie Lukan, Statius und Valerius Flaccus als Nachfolger beider sieht.

Anders als zu erwarten liegt der Schwerpunkt von Janans Ausführungen jedoch nicht auf Ovids Werken sonder vielmehr bei der modernen Rezeption der Mythen und man kann sich nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass die Autorin Ovids Werke den psychoanalytisch geprägten Theorien anpasst und nicht andersherum – was nicht passt, wird passend gemacht. Dies hat zur Folge, dass ihr Werk ein wenig an Überzeugungskraft einbüßt – ein unnötiger Verlust, da Ovid doch so verständig wie kaum ein anderer die menschliche Psyche durchschaute und spielerisch mit den wirkenden Triebkräften im menschlichen Miteinander umging. Dennoch: Die umfassende Verknüpfung mit den unterschiedlichsten Werken ist beeindruckend und zeigt eine tiefgehende Beschäftigung mit der Thematik, durch die moderne und antike Literatur im Kontext gesehen werden. – Nicht nur für Altphilologen geeignet.

geschrieben am 30.04.2011 | 752 Wörter | 4565 Zeichen

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