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Rechnung offen


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Informationen zum Buch
  ISBN
  Autor
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  Seiten
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Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

Rechnung offen Es ist eigentlich kein schöner Beginn, ein negatives Fazit an den Anfang zu stellen, aber es ist in diesem Fall nicht zu vermeiden. Es lautet: das Buch ist ĂŒberfrachtet und leidet an der gewĂ€hlten Struktur, ja die verworrene Handlung ĂŒberdeckt in weiten Teilen sogar die wunderbare ErzĂ€hlkunst der Autorin. Hinzu kommt, dass die Beschreibungen im Klappentext des Umschlags so gar nicht zum Inhalt passen wollen und hoffnungslos ĂŒberzeichnet sind. Worum geht es? Ein Mietshaus in Berlin beherbergt diverse Parteien, deren Wege sich im Laufe des Buches einmal oder mehrfach kreuzen. Der EigentĂŒmer des Hauses, Claas Jansen, und seine Frau Theresa wohnen allerdings in einem anderen Stadtteil, jedenfalls solange sie noch zusammenleben. Auslöser einer temporĂ€ren Trennung ist die offenbar vorhandene Kaufsucht des Claas Jansen, die auffliegt, als in die Praxis von Claas eingebrochen wurde und Theresa dort den von Claas zusammengekauften Nippes entdeckt. Zuhause tĂŒrmen sich Briefe, Rechnungen und gerichtliche Zustellungsurkunden, aber Claas prokrastiniert, vermeidet, nĂ€hert sich dem Untergang bzw. der Insolvenz samt Eheende. Die gemeinsame Tochter Ebba wohnt im Mietshaus, tut so, als ob sie eine Ausbildung machen wĂŒrde, wohingegen ihr Leben in ihrer eigenen Art des Vermeidens besteht, dazu kommt eine Neigung zu Marihuana. Am Ende flieht sie zur Großmutter und muss danach wieder bei den Eltern einziehen, was insbesondere Claas eher verdrießt, der sich stĂ€ndig um mehr Aufmerksamkeit fĂŒr sich sorgt. Im Haus leben im Erdgeschoss noch eine Gruppe AuslĂ€nder unter Ă€rmlichsten Bedingungen, von denen Ebba ihr Gras bezieht. Obwohl davon im Buch keine Rede ist, posaunt der Klappentext davon, dass die afrikanischen Dealer ihre Schlepperkosten abarbeiten. Soso. Dazu tauchen auf eine demenz- oder alzheimerkranke Elsa Streml, eine psychisch labile Mutter samt Sohn Lucas, den sie am Ende aus Überforderung alleine lĂ€sst, ein angeblicher oder vielleicht doch wahrer Enkel Nicolai von Frau Streml, der diese regelmĂ€ĂŸig besucht und sich daneben noch mit einer Servierkraft des CafĂ©s gegenĂŒber einlĂ€sst. Diese wird von ihm schwanger, verschwindet, das VerhĂ€ltnis zu Nicolais Stiefvater lebt auf einmal wieder auf. Der verlassene Sohn Lucas kommt auch mit dem Alleinsein nicht zurecht, wen wundert es, und die Flucht der Mutter wird erst nach einem Brand im Haus entdeckt, sodass er zum Großvater geschickt wird. Alles schön und gut, viele HandlungsstrĂ€nge, einige Überschneidungen, kein wahres Ziel. Claas zieht am Ende wieder zu Theresa und kauft wie zuvor, aber ansonsten verlaufen sich die einzelnen Geschichten ziemlich ins Nichts und das ist sehr schade. Denn zwischendurch findet man immer wieder so schöne Passagen, etwa wenn die Kapitel ĂŒber Frau Streml Vergangenheit und Gegenwart durchmischen, wenn die Anzeichen der Krankheit durchschimmern, wenn man kurze Einblicke in die RealitĂ€t durch Nicolais Beobachtungen erhĂ€lt, wenn man die Ängste und GefĂŒhle des verlassenen Lucas miterleben muss. Aber es ist insgesamt einfach zu viel anerzĂ€hlter und nicht richtig zu Ende gebrachter Stoff. Zu viele Personen, zu viel gewollt. Warum das dann im Klappentext als „globalisierte Notgemeinschaft“ verkauft werden muss, bleibt auch unklar: was soll daran globalisiert sein? Worin besteht die Gemeinschaft, außer der zufĂ€lligen Wohnsituation? Dass es laut Klappentext „prekĂ€re“ Existenzen sein sollen, ist auch an den Haaren herbeigezogen. Jeder hat sein eigenes BĂŒndel, das er trĂ€gt, aber das hat nichts mit Prekariat zu tun. Und letztendlich ist auch der Titel „Rechnung offen“ nur mit MĂŒhe auf die Handelnden und ihr Beziehungsgeflecht zu subsumieren. Insgesamt ein am Ende enttĂ€uschendes LektĂŒreerlebnis: die Autorin kann viel mehr als es dieses Buch hergibt.

Es ist eigentlich kein schöner Beginn, ein negatives Fazit an den Anfang zu stellen, aber es ist in diesem Fall nicht zu vermeiden. Es lautet: das Buch ist ĂŒberfrachtet und leidet an der gewĂ€hlten Struktur, ja die verworrene Handlung ĂŒberdeckt in weiten Teilen sogar die wunderbare ErzĂ€hlkunst der Autorin. Hinzu kommt, dass die Beschreibungen im Klappentext des Umschlags so gar nicht zum Inhalt passen wollen und hoffnungslos ĂŒberzeichnet sind.

weitere Rezensionen von Dr. Benjamin Krenberger


Worum geht es? Ein Mietshaus in Berlin beherbergt diverse Parteien, deren Wege sich im Laufe des Buches einmal oder mehrfach kreuzen. Der EigentĂŒmer des Hauses, Claas Jansen, und seine Frau Theresa wohnen allerdings in einem anderen Stadtteil, jedenfalls solange sie noch zusammenleben. Auslöser einer temporĂ€ren Trennung ist die offenbar vorhandene Kaufsucht des Claas Jansen, die auffliegt, als in die Praxis von Claas eingebrochen wurde und Theresa dort den von Claas zusammengekauften Nippes entdeckt. Zuhause tĂŒrmen sich Briefe, Rechnungen und gerichtliche Zustellungsurkunden, aber Claas prokrastiniert, vermeidet, nĂ€hert sich dem Untergang bzw. der Insolvenz samt Eheende. Die gemeinsame Tochter Ebba wohnt im Mietshaus, tut so, als ob sie eine Ausbildung machen wĂŒrde, wohingegen ihr Leben in ihrer eigenen Art des Vermeidens besteht, dazu kommt eine Neigung zu Marihuana. Am Ende flieht sie zur Großmutter und muss danach wieder bei den Eltern einziehen, was insbesondere Claas eher verdrießt, der sich stĂ€ndig um mehr Aufmerksamkeit fĂŒr sich sorgt. Im Haus leben im Erdgeschoss noch eine Gruppe AuslĂ€nder unter Ă€rmlichsten Bedingungen, von denen Ebba ihr Gras bezieht.

Obwohl davon im Buch keine Rede ist, posaunt der Klappentext davon, dass die afrikanischen Dealer ihre Schlepperkosten abarbeiten. Soso. Dazu tauchen auf eine demenz- oder alzheimerkranke Elsa Streml, eine psychisch labile Mutter samt Sohn Lucas, den sie am Ende aus Überforderung alleine lĂ€sst, ein angeblicher oder vielleicht doch wahrer Enkel Nicolai von Frau Streml, der diese regelmĂ€ĂŸig besucht und sich daneben noch mit einer Servierkraft des CafĂ©s gegenĂŒber einlĂ€sst. Diese wird von ihm schwanger, verschwindet, das VerhĂ€ltnis zu Nicolais Stiefvater lebt auf einmal wieder auf. Der verlassene Sohn Lucas kommt auch mit dem Alleinsein nicht zurecht, wen wundert es, und die Flucht der Mutter wird erst nach einem Brand im Haus entdeckt, sodass er zum Großvater geschickt wird.

Alles schön und gut, viele HandlungsstrĂ€nge, einige Überschneidungen, kein wahres Ziel. Claas zieht am Ende wieder zu Theresa und kauft wie zuvor, aber ansonsten verlaufen sich die einzelnen Geschichten ziemlich ins Nichts und das ist sehr schade. Denn zwischendurch findet man immer wieder so schöne Passagen, etwa wenn die Kapitel ĂŒber Frau Streml Vergangenheit und Gegenwart durchmischen, wenn die Anzeichen der Krankheit durchschimmern, wenn man kurze Einblicke in die RealitĂ€t durch Nicolais Beobachtungen erhĂ€lt, wenn man die Ängste und GefĂŒhle des verlassenen Lucas miterleben muss. Aber es ist insgesamt einfach zu viel anerzĂ€hlter und nicht richtig zu Ende gebrachter Stoff. Zu viele Personen, zu viel gewollt. Warum das dann im Klappentext als „globalisierte Notgemeinschaft“ verkauft werden muss, bleibt auch unklar: was soll daran globalisiert sein? Worin besteht die Gemeinschaft, außer der zufĂ€lligen Wohnsituation? Dass es laut Klappentext „prekĂ€re“ Existenzen sein sollen, ist auch an den Haaren herbeigezogen. Jeder hat sein eigenes BĂŒndel, das er trĂ€gt, aber das hat nichts mit Prekariat zu tun. Und letztendlich ist auch der Titel „Rechnung offen“ nur mit MĂŒhe auf die Handelnden und ihr Beziehungsgeflecht zu subsumieren.

Insgesamt ein am Ende enttĂ€uschendes LektĂŒreerlebnis: die Autorin kann viel mehr als es dieses Buch hergibt.

geschrieben am 09.07.2013 | 557 Wörter | 3260 Zeichen

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