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Die Schatten und der Regen


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Informationen zum Buch
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Rezension von

André Kesper

Die Schatten und der Regen Frischer Wind in Kumla Krimis leben oft von ihren Heldenfiguren. Wer es geschafft hat, eine solche erfolgreich aufzubauen und in den Köpfen und Herzen einer breiten Leserschaft zu etablieren, darf sich glücklich schätzen. Hakan Nesser’s ebenso liebenswürdiger, wie zerrütteter Inspektor Van Veeteren war eine solche Gestalt, die einen berühren und beschäftigen konnte: unstet, ungesund, Unmengen Bier trinkend, warmherzig und ungeschickt: jemand, den man ins Herz schliessen, und auf den man sich wochenlang freuen konnte. Ohne zu übertreiben, darf man ihm Kultstatus zuschreiben. Wer zudem weiss, dass der Autor für seine Kriminalromane mit eben diesem Kommissar zahlreiche Preise entgegen nehmen durfte, und dass einige dieser Geschichten erfolgreich verfilmt wurden, nimmt umso erstaunter zur Kenntnis, dass sich Nesser vor einem Jahr von seinem Protagonisten getrennt und sich entschlossen hat, mutig neue Wege zu beschreiten. Mit „Der Schatten und der Regen“, erschienen im August dieses Jahres im btb-Verlag, legt Hakan Nesser nun ein erstes Zeugnis neuer Inspiration vor. Rund um den Mord an einer jungen Frau baut er eine eindringliche Dorfgeschichte, die wohl in den sechziger Jahren angesiedelt ist, die sich aber ebenso gut in der Anonymität der heutigen Zeit, irgendwo in den Milieus der Aussenseiter und Unangepassten, abspielen könnte. Nesser erzählt aus verschiedenen Perspektiven: Im ersten Teil nähert er sich in der Person des scheinbar unbeteiligten David der dunklen Vergangenheit an. Ganz behutsam nimmt er den Leser mit in eine erschütternde Geschichte, die sich vor rund dreissig Jahren im Dorf abgespielt hat, und in deren Mittelpunkt der hoch begabte und stumme Waisenjunge Viktor steht. Viktor wurde des Mordes an seiner Freundin verdächtigt, und ist seit jener Zeit verschollen. Plötzlich taucht der für tot Gehaltene im Dorf auf, und die Menschen, die damals Zeugen erschütternder Ereignisse waren, halten ihren Atem an. An dieser Stelle ändert der Autor seine Perspektive, und die Geschichte beginnt aus anderer Sicht nochmals von vorn. Was auf den ersten Blick überrascht, entwickelt sich zum atemberaubenden Lesevergnügen. Die vor kurzem noch beschauliche Szene wird zum Kriminalroman, die unerwarteten Entwicklungen faszinieren und nehmen gefangen! Nesser erzählt keine heiteren Geschichten, früher nicht, und auch jetzt nicht. Im Gegenteil: Er akzentuiert die einsamen und tragischen Momente in den einzelnen Biografien, er malt die Schwere und die Hoffnungslosigkeit noch detaillierter aus, und in manchem Kapitel wird man förmlich in die Untiefen menschlicher Bedrängnis mit hinein genommen. Bemerkenswert, wie der Autor dabei die Grenzen zwischen Ironie und Zynismus sorgfältig auslotet, und wie viel glaubwürdige Sensibilität er im Nachempfinden und Darstellen menschlicher Gefühle und Gedanken einbringt. Damit hat sein Stil merklich an psychologischer Tiefe gewonnen, jegliche unangenehme Oberflächlichkeit, wie man sie ab und an in einem seiner Bücher wahrzunehmen glaubte, ist verschwunden. In diesem Sinne dürfen wir befriedigt bilanzieren: Es bläst ein frischer Wind in Kumla, und er möge kräftig weiter wehen!

Frischer Wind in Kumla

weitere Rezensionen von André Kesper


Krimis leben oft von ihren Heldenfiguren. Wer es geschafft hat, eine solche erfolgreich aufzubauen und in den Köpfen und Herzen einer breiten Leserschaft zu etablieren, darf sich glücklich schätzen.

Hakan Nesser’s ebenso liebenswürdiger, wie zerrütteter Inspektor Van Veeteren war eine solche Gestalt, die einen berühren und beschäftigen konnte: unstet, ungesund, Unmengen Bier trinkend, warmherzig und ungeschickt: jemand, den man ins Herz schliessen, und auf den man sich wochenlang freuen konnte. Ohne zu übertreiben, darf man ihm Kultstatus zuschreiben.

Wer zudem weiss, dass der Autor für seine Kriminalromane mit eben diesem Kommissar zahlreiche Preise entgegen nehmen durfte, und dass einige dieser Geschichten erfolgreich verfilmt wurden, nimmt umso erstaunter zur Kenntnis, dass sich Nesser vor einem Jahr von seinem Protagonisten getrennt und sich entschlossen hat, mutig neue Wege zu beschreiten.

Mit „Der Schatten und der Regen“, erschienen im August dieses Jahres im btb-Verlag, legt Hakan Nesser nun ein erstes Zeugnis neuer Inspiration vor.

Rund um den Mord an einer jungen Frau baut er eine eindringliche Dorfgeschichte, die wohl in den sechziger Jahren angesiedelt ist, die sich aber ebenso gut in der Anonymität der heutigen Zeit, irgendwo in den Milieus der Aussenseiter und Unangepassten, abspielen könnte.

Nesser erzählt aus verschiedenen Perspektiven: Im ersten Teil nähert er sich in der Person des scheinbar unbeteiligten David der dunklen Vergangenheit an. Ganz behutsam nimmt er den Leser mit in eine erschütternde Geschichte, die sich vor rund dreissig Jahren im Dorf abgespielt hat, und in deren Mittelpunkt der hoch begabte und stumme Waisenjunge Viktor steht. Viktor wurde des Mordes an seiner Freundin verdächtigt, und ist seit jener Zeit verschollen. Plötzlich taucht der für tot Gehaltene im Dorf auf, und die Menschen, die damals Zeugen erschütternder Ereignisse waren, halten ihren Atem an.

An dieser Stelle ändert der Autor seine Perspektive, und die Geschichte beginnt aus anderer Sicht nochmals von vorn. Was auf den ersten Blick überrascht, entwickelt sich zum atemberaubenden Lesevergnügen. Die vor kurzem noch beschauliche Szene wird zum Kriminalroman, die unerwarteten Entwicklungen faszinieren und nehmen gefangen!

Nesser erzählt keine heiteren Geschichten, früher nicht, und auch jetzt nicht. Im Gegenteil: Er akzentuiert die einsamen und tragischen Momente in den einzelnen Biografien, er malt die Schwere und die Hoffnungslosigkeit noch detaillierter aus, und in manchem Kapitel wird man förmlich in die Untiefen menschlicher Bedrängnis mit hinein genommen. Bemerkenswert, wie der Autor dabei die Grenzen zwischen Ironie und Zynismus sorgfältig auslotet, und wie viel glaubwürdige Sensibilität er im Nachempfinden und Darstellen menschlicher Gefühle und Gedanken einbringt. Damit hat sein Stil merklich an psychologischer Tiefe gewonnen, jegliche unangenehme Oberflächlichkeit, wie man sie ab und an in einem seiner Bücher wahrzunehmen glaubte, ist verschwunden.

In diesem Sinne dürfen wir befriedigt bilanzieren: Es bläst ein frischer Wind in Kumla, und er möge kräftig weiter wehen!

geschrieben am 16.11.2005 | 456 Wörter | 2698 Zeichen

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