ISBN | 3869710187 | |
Autor | Jan Costin Wagner | |
Verlag | Galiani | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 240 | |
Erscheinungsjahr | 2017 | |
Extras | - |
Seit âTage des letzten Schneesâ bin ich ein groĂer Fan des Stils von Jan Costin Wagner. Auf den neuen Roman, der mit einem angenehm ĂŒberschaubaren Umfang aufwartet, war ich deshalb sehr gespannt, denn der letzte Band mit Kurzgeschichten hatte Licht- und Schattenseiten.
Auch wenn es (wieder) um den Ermittler Kimmo Joentaa aus der finnischen Stadt Turku geht, ist es kein klassischer Krimi, der den Leser erwartet, sondern eine klug konstruierte, sehr emotionale, teilweise tragische ErzĂ€hlung mit kriminalistischem Hintergrund. Ausgangspunkt der Geschichte ist, dass ein Kollege Joentaas, Petri Grönholm, auf dem Marktplatz einen psychisch kranken jungen Mann erschieĂt. Sakari Ekman. Warum dieser an dem Tag mittags nackt im Brunnen stand und ein Messer in der Hand hatte, wird zum ersten groĂen RĂ€tsel, derer im Laufe des Romans noch einige auf den Leser warten. Die (Kriminal-)Geschichte an sich ist dabei gar nicht das Beeindruckende an dem Buch, sondern Wagners Sprache, seine Sprachbilder gleichsam, und die gleichzeitige Verankerung von Metathemen, die den Roman so berĂŒhrend machen: die Bedeutung von Familie und Liebe, der Verlust von Familienmitgliedern, sei es durch Tod oder durch Weggang oder sonstige Abwesenheit, die fehlende FĂ€higkeit und Möglichkeit, sich ĂŒber einen solchen Verlust hinwegzuhelfen, die ewig wĂ€hrende (oft vergebliche) Suche nach Trost und Erlösung von einem solchen Schicksalsschlag, aber auch die wechselseitige emotionale AbhĂ€ngigkeit innerhalb einer Familie und die so hervorgerufene FragilitĂ€t dieses sozialen Gebildes.
Wagner schafft es in so vielen Situationen SĂ€tze und ganze Passagen zu kreieren, die innehalten lassen, die im Geist nachhallen und die mitunter zu TrĂ€nen rĂŒhren können. Joentaa als Protagonist, der selbst durch den Verlust seiner Frau leidgeprĂŒft und alleinerziehender Vater ist, ist dabei auch emotionaler Ankerpunkt der Geschichte, indem er durch ruhiges Auftreten, grĂŒblerisches Stöbern nach der Wahrheit, aber auch das richtige Schweigen zur rechten Zeit fĂŒr eine Stimmung sorgt, in der sich der Leser trotz aller beschriebenen SchicksalsschlĂ€ge behĂŒtet fĂŒhlt. Denn die betroffenen Familien und Personen haben eine ganze Menge zu erleben und verarbeiten und als Leser steckt man, nicht nur aufgrund der Sprache der ErzĂ€hlung, sondern auch durch den stĂ€ndigen Perspektivwechsel mittendrin. Dass das Ganze dabei nicht ins Kitschige oder Melodramatische abgleitet, ist ebenfalls gebĂŒhrend zu wĂŒrdigen: es ist trotz der hohen EmotionalitĂ€t und der Momente des Innehaltens ein spannender Roman, den man zielstrebig konsumieren möchte.
FĂŒr meinen Geschmack ist einzig die Auflösung am Ende etwas zu abrupt, aber wenn man sie mit einem Augenzwinkern rezipiert, hat das Buch einen versöhnlichen Ausgang gefunden. Meiner EinschĂ€tzung nach ein grandioses Werk, dessen LektĂŒre sich besonders in dieser Jahreszeit mit ihren langen dunklen Abenden anbietet.
geschrieben am 25.11.2017 | 420 Wörter | 2530 Zeichen
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