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Der Mensch und die Technik. Pessimismus


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Rezension von

Daniel Bigalke

Der Mensch und die Technik. Pessimismus Aus Anlaß des 70. Jahrestages des Todes Oswald Spenglers am 8. Mai 1936 hat der Karolinger-Verlag zwei erwähnenswerte Schriften des Kulturphilosophen aus den Jahren 1921 und 1931 neu aufgelegt. Der Verlag trägt damit der Tatsache Rechnung, daß Spengler immer noch weltweit gelesen und weltweit erörtert wird. Adorno schrieb einst: "Spengler hat kaum einen Gegner gefunden, der sich ihm gewachsen gezeigt hätte: das Vergessen wirkt als Ausflucht." Der Leser dieser kleinen Schrift zeigt damit vor sich selber, daß er nicht vor den brennenden Fragen seiner Zeit flüchtet. Diese Fragen, sich in Spenglers Zeit andeutend, haben heute erst ihre von ihm prophezeiten Konturen angenommen. Das ruhelose Streben des westlichen Menschen nach dem Höheren, nach der Überwindung von Entfernungen gipfelt im westlichen Expansionsdrang der Technik, in der Raumfahrt und der Computerwelt. Das „Ich“ fiel also mit dem Willen Gottes zusammen und rückte die faustische Willenskultur in den Mittelpunkt. Spengler spricht im „Untergang des Abendlandes“ vom „Problem der Zivilisation“. (Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes, 2007, S. 43) Zivilisation kann hier als niedere Phase charakterisiert werden, wie sie sich nach der Reichsgründung und den Gründerjahren in Deutschland ereignete und wie sie von Nietzsche in seinen „Unzeitgemäßen Betrachtungen“ (1873-1876) kritisiert wurde. Die Assoziationen der modernen Industriegesellschaft (Technik, Urbanisierung, Metropolitismus, Materialismus, Utilitarismus) stehen auch hier im Mittelpunkt. Zivilisation steht als Synonym für den Zustand eines äußeren, seelenlosen, intellektualistischen, nivellierenden und zweckrationalen Daseins, als Gegensatz zu den Werten der Kreativität, der Moral und der Religion. Mit „Der Mensch und die Technik“ liegt nunmehr eine Schrift vor, die zu den späten Büchern Spenglers zählt und aus diesem Kontext heraus zu verstehen ist. Er bezeichnet hier die Technik als „Taktik des Lebens“, in deren Zusammenhang an die Stelle der echten Religion früherer Zeiten nun die platte Schwärmerei für die „Errungenschaften der Menschheit“ tritt und eigentlich nur die „Fortschritte der arbeitersparenden und amüsierenden Technik“ gemeint sind. Anschließend nimmt Spengler eine Untersuchung über die Entwicklung der Technik in Kombination mit derjenigen des Menschen durch. „Was ist der Mensch? Wodurch ist er zum Menschen geworden?“ sind dabei seine zentralen Fragen. Spenglers Antwort: „Durch die Entstehung der Hand. Das ist eine Waffe ohnegleichen in der Welt des freibeweglichen Lebens“. Damit sei die Befreiung vom Zwang der Gattung, etwas „einzigartiges in der Geschichte des gesamten Lebens auf diesem Planeten“ vollzogen. Zum Ausgang seiner kleinen Schrift sieht Spengler den Aufstieg und das Ende der Maschinenkultur: „Die steinerne Stadt wird erfunden als das Gehäuse des ganz künstlichen, von der mütterlichen Erde getrennten, vollkommenen, gegennatürlich gewordenen Lebens, die Stadt des wurzellosen Denkens, welche die Ströme des Lebens vom Lande an sich zieht und verbraucht.“ Zugleich ziehen wirtschaftliche Verarmung ein, geistige und künstlerische Degeneration. So verwundert es nicht, daß Spengler die faustische, westeuropäische Kultur als die vielleicht nicht letzte, sicherlich aber als die gewaltigste, leidenschaftlichste darstellt, welche durch ihren „inneren Gegensatz zwischen umfassender Durchgeistigung und tiefster seelischer Zerrissenheit“ die tragischste von allen Kulturen sei. Es ließe sich hier an die Zerrissenheit des seismographischen Gespürs eines Hölderlin denken, der genau daran zerbrach. Der Sozialphilosoph Johannes Heinrichs beschrieb dieses Phänomen trefflich am Beispiel Hölderlins in seiner neuen Schrift „Revolution aus Geist und Liebe“ (2007). Nirgends habe also der Gegensatz unversöhnlichere Formen angenommen als in der faustischen Kultur des Westens. Der zweite kleinere Essay „Pessimismus“ galt einst dem Zwecke einer eigenen Rechtfertigung gegenüber den Kritikern, die sich in der Kritik am „Untergang des Abendlandes“ übten. Er erschien 1937 in dem posthum veröffentlichen Band „Reden und Aufsätze“. Hier kommt Spengler zu dem Fazit: „Was das Ziel der Menschen angeht, so bin ich ein tiefer Pessimist.“ Er sieht also keinen Fortschritt, kein Ziel, keinen Weg der Menschheit, außer in den Köpfen einiger „abendländischer Fortschrittsphilister.“ Und dennoch – das macht die dialektische Spannung dieses Textes aus – läßt sich in Spenglers Verzweiflung immer noch der Pragmatiker und Metapolitiker der 20’er Jahre des 20. Jahrhunderts erkennen: „Ich bin kein Pessimist - Nein. Pessimismus heißt: keine Aufgaben mehr sehen. Ich sehe so viele noch ungelöst, dass ich fürchte, es wird uns an Zeit und Männern für sie fehlen.“ Wir haben hier eine Schrift vorliegen, die der Selbstrechtfertigung dient und zugleich ein subjektiveres und offeneres Bild seiner Motivationen abliefert. Zum Ende hin läßt sich konstatieren: Die Erkenntnisse des negativen Dialektikers Oswald Spengler entbehren nicht einer gewissen Relevanz in der heutigen Zeit. Dieses Denken ist klarsichtig und erkennt die Bedeutung von Technik, Massendemokratie, Gewalt und ideologischem Rigorismus. Daß der Materialismus das Denken beeinflußte und die Faszination vor den Leistungen der Technik prägte, kann heute nicht mehr angezweifelt werden. Aber in dieser Art von Aufklärung war schon immer die Gegenaufklärung im Sinne Spenglers als vorhanden mitgegeben. Das Potential ihres dialektischen Umschlages war stets präsent. Es wehrt sich dagegen, daß pure Effizienz zum Kriterium des Lebenserfolges gemacht wird.

Aus Anlaß des 70. Jahrestages des Todes Oswald Spenglers am 8. Mai 1936 hat der Karolinger-Verlag zwei erwähnenswerte Schriften des Kulturphilosophen aus den Jahren 1921 und 1931 neu aufgelegt. Der Verlag trägt damit der Tatsache Rechnung, daß Spengler immer noch weltweit gelesen und weltweit erörtert wird. Adorno schrieb einst: "Spengler hat kaum einen Gegner gefunden, der sich ihm gewachsen gezeigt hätte: das Vergessen wirkt als Ausflucht." Der Leser dieser kleinen Schrift zeigt damit vor sich selber, daß er nicht vor den brennenden Fragen seiner Zeit flüchtet. Diese Fragen, sich in Spenglers Zeit andeutend, haben heute erst ihre von ihm prophezeiten Konturen angenommen.

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Das ruhelose Streben des westlichen Menschen nach dem Höheren, nach der Überwindung von Entfernungen gipfelt im westlichen Expansionsdrang der Technik, in der Raumfahrt und der Computerwelt. Das „Ich“ fiel also mit dem Willen Gottes zusammen und rückte die faustische Willenskultur in den Mittelpunkt. Spengler spricht im „Untergang des Abendlandes“ vom „Problem der Zivilisation“. (Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes, 2007, S. 43) Zivilisation kann hier als niedere Phase charakterisiert werden, wie sie sich nach der Reichsgründung und den Gründerjahren in Deutschland ereignete und wie sie von Nietzsche in seinen „Unzeitgemäßen Betrachtungen“ (1873-1876) kritisiert wurde. Die Assoziationen der modernen Industriegesellschaft (Technik, Urbanisierung, Metropolitismus, Materialismus, Utilitarismus) stehen auch hier im Mittelpunkt. Zivilisation steht als Synonym für den Zustand eines äußeren, seelenlosen, intellektualistischen, nivellierenden und zweckrationalen Daseins, als Gegensatz zu den Werten der Kreativität, der Moral und der Religion.

Mit „Der Mensch und die Technik“ liegt nunmehr eine Schrift vor, die zu den späten Büchern Spenglers zählt und aus diesem Kontext heraus zu verstehen ist. Er bezeichnet hier die Technik als „Taktik des Lebens“, in deren Zusammenhang an die Stelle der echten Religion früherer Zeiten nun die platte Schwärmerei für die „Errungenschaften der Menschheit“ tritt und eigentlich nur die „Fortschritte der arbeitersparenden und amüsierenden Technik“ gemeint sind. Anschließend nimmt Spengler eine Untersuchung über die Entwicklung der Technik in Kombination mit derjenigen des Menschen durch. „Was ist der Mensch? Wodurch ist er zum Menschen geworden?“ sind dabei seine zentralen Fragen. Spenglers Antwort: „Durch die Entstehung der Hand. Das ist eine Waffe ohnegleichen in der Welt des freibeweglichen Lebens“. Damit sei die Befreiung vom Zwang der Gattung, etwas „einzigartiges in der Geschichte des gesamten Lebens auf diesem Planeten“ vollzogen.

Zum Ausgang seiner kleinen Schrift sieht Spengler den Aufstieg und das Ende der Maschinenkultur: „Die steinerne Stadt wird erfunden als das Gehäuse des ganz künstlichen, von der mütterlichen Erde getrennten, vollkommenen, gegennatürlich gewordenen Lebens, die Stadt des wurzellosen Denkens, welche die Ströme des Lebens vom Lande an sich zieht und verbraucht.“ Zugleich ziehen wirtschaftliche Verarmung ein, geistige und künstlerische Degeneration. So verwundert es nicht, daß Spengler die faustische, westeuropäische Kultur als die vielleicht nicht letzte, sicherlich aber als die gewaltigste, leidenschaftlichste darstellt, welche durch ihren „inneren Gegensatz zwischen umfassender Durchgeistigung und tiefster seelischer Zerrissenheit“ die tragischste von allen Kulturen sei. Es ließe sich hier an die Zerrissenheit des seismographischen Gespürs eines Hölderlin denken, der genau daran zerbrach. Der Sozialphilosoph Johannes Heinrichs beschrieb dieses Phänomen trefflich am Beispiel Hölderlins in seiner neuen Schrift „Revolution aus Geist und Liebe“ (2007). Nirgends habe also der Gegensatz unversöhnlichere Formen angenommen als in der faustischen Kultur des Westens.

Der zweite kleinere Essay „Pessimismus“ galt einst dem Zwecke einer eigenen Rechtfertigung gegenüber den Kritikern, die sich in der Kritik am „Untergang des Abendlandes“ übten. Er erschien 1937 in dem posthum veröffentlichen Band „Reden und Aufsätze“. Hier kommt Spengler zu dem Fazit: „Was das Ziel der Menschen angeht, so bin ich ein tiefer Pessimist.“ Er sieht also keinen Fortschritt, kein Ziel, keinen Weg der Menschheit, außer in den Köpfen einiger „abendländischer Fortschrittsphilister.“ Und dennoch – das macht die dialektische Spannung dieses Textes aus – läßt sich in Spenglers Verzweiflung immer noch der Pragmatiker und Metapolitiker der 20’er Jahre des 20. Jahrhunderts erkennen: „Ich bin kein Pessimist - Nein. Pessimismus heißt: keine Aufgaben mehr sehen. Ich sehe so viele noch ungelöst, dass ich fürchte, es wird uns an Zeit und Männern für sie fehlen.“ Wir haben hier eine Schrift vorliegen, die der Selbstrechtfertigung dient und zugleich ein subjektiveres und offeneres Bild seiner Motivationen abliefert.

Zum Ende hin läßt sich konstatieren: Die Erkenntnisse des negativen Dialektikers Oswald Spengler entbehren nicht einer gewissen Relevanz in der heutigen Zeit. Dieses Denken ist klarsichtig und erkennt die Bedeutung von Technik, Massendemokratie, Gewalt und ideologischem Rigorismus. Daß der Materialismus das Denken beeinflußte und die Faszination vor den Leistungen der Technik prägte, kann heute nicht mehr angezweifelt werden. Aber in dieser Art von Aufklärung war schon immer die Gegenaufklärung im Sinne Spenglers als vorhanden mitgegeben. Das Potential ihres dialektischen Umschlages war stets präsent. Es wehrt sich dagegen, daß pure Effizienz zum Kriterium des Lebenserfolges gemacht wird.

geschrieben am 20.10.2007 | 777 Wörter | 4808 Zeichen

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