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Der Untergang des Abendlandes – Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte


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Rezension von

Daniel Bigalke

Der Untergang des Abendlandes – Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte Für jeden denkenden Menschen gibt es eine spezifische Form des Denkens, die sich aus demselben Fundus wie seine Weltanschauung und seine Denkergebnisse speist. Und so schrieb der Geschichtsphilosoph Oswald Spengler (1880-1936) im Vorwort zu seinem Buch „Der Untergang des Abendlandes“ (Zuerst 1917): „Ein Denker ist ein Mensch, dem es bestimmt war, durch das eigene Schauen und Verstehen die Zeit symbolisch darzustellen. Er hat keine Wahl. Er denkt, wie er denken muß, und wahr ist zuletzt für ihn, was als Bild seiner Welt mit ihm geboren wurde.“ Allein, mit der vorliegenden Buchausgabe von Spenglers Hauptwerk im Philosophie-Verlag Marix, der überdies viele weitere interessante Überraschungen in sich birgt, haben wir ein Buch vor uns liegen, welches dieser Grundmaxime folgt. Es offenbart ein Denken, von dem man in jedem Satz erkennen kann, daß sein Autor nicht anders konnte, als so zu schreiben, wie er schrieb. Der Stil des Denkers und seine Lehre sind darin unüberwindlich verwandt und einmalig charakteristisch entfaltet, wie es die Schulphilosophie nicht könnte. Spengler gesteht sogar an anderer Stelle: „Eine wissenschaftliche Philosophie wird auf solcher meiner Grundlage nie entstehen.“ – Er ging eben seinen eigenen Weg. Die vorliegende Marix-Ausgabe zum „Untergang“ ist die derzeit aktuellste. Sie setzt sich damit positiv vor allem aufgrund eines Kriteriums von den älteren Ausgaben bei C.H. Beck oder dtv ab: Sie beinhaltet ein wichtiges und aktuelles Nachwort des Philosophen und Kulturwissenschaftlers Thomas Zwenger, welches aktueller denn je und ausgestattet mit einer aktuellen Bibliographie exklusiv zum Thema „Untergang des Abendlandes“ ein wichtiges Grundgerüst für diejenigen Politologen und Philosophen bietet, die sich dem Werke Spenglers heute zu öffnen begonnen haben. Entsprechend resümiert Zwenger völlig zu Recht, daß dieses Werk „so attraktiv wie vor 80 Jahren“ sei, weil darin ein „charismatischer Deuter der letzten Gründe unsers Daseins“ auftritt. Zwengers Nachwort liest sich als wunderbarer einführender Essay, den zuerst zu studieren direkt vor dem recht komplexen Gesamtwerk zu empfehlen ist. Darin nämlich fragt Spengler bekanntlich, inwiefern nicht das Wesen der Geschichte von einmaliger, unwiederholbarer und unverwechselbarer Eigenart ist. Spenglers spezifischer Ansatz schimmert überall durch, nämlich der der Versuch, die Seinslehre (Ontologie) in eine Werdenslehre zu verwandeln, um die alten Weltbilder zu dynamisieren. Daher seine Skepsis gegen die statische Schulwissenschaft, die vermeintlich dauerhaft verharrende Kategorien und Verhältnisse zugrunde legt. Es kann für Spengler hingegen im von ihm gesehenen Chaos der Verwandlungen keine bleibenden Werte geben. Und zugespitzt läßt sich sagen: Alle Schöpfungen in Kultur, Staat, Gesellschaft, Sitten und Anschauungen sind für Spengler Produkte der Natur. Sie unterliegen denselben Bedingungen des Daseins wie die übrigen, nämlich dem strengen vom vorsokratischen Philosophen Heraklit herrührenden Gesetz, daß nichts bleibt und alles sich verändert, daß alles erscheint und gnadenlos vergeht. – „All things must pass“ (George Harrison). Natürlich ist diesbezüglich bei Spengler die Absicht einer imperialen Machtpolitik auf der Grundlage der Ideen Nietzsches, wonach zwischen Elite und Masse getrennt werden müsse, zu erwähnen. Aber den Ideen Spenglers wohnt damit lediglich die Konzeption des politisch-ökonomischen Realismus inne, der bestimmend für die Zukunft Deutschlands und vieler anderer Staaten der damaligen Zeit war. Er bildet den wichtigsten Kristallisationspunkt in der im hinteren Teil des Buches befindlichen Theorie zum Staat und zum „Cäsarismus“: Nicht der Stammbaum, sondern die „technische Intelligenz“ sollte das grundlegende Kriterium der Auswahl neuer Eliten sein. Ein für damalige Zeiten fortschrittlicher Gedanke. In der Theorie Spenglers zur „neuen Elite“ sollten die alten Repräsentanten des Geistes eben durch vitale Führer aus Politik und Industrie ersetzt werden. Ein Wechsel der Eliten, wie es auch das allgemeine Programm der Republikanisierung des Staates in der Weimarer Zeit war, bietet sich hier als wichtiger Punkt seiner Philosophie dar – ein wichtiger Aspekt, den unter die Lupe zu nehmen noch aussteht, denn Spenglers Verachtung der Weimarer Republik schließt seine Offenheit gegenüber jungen und vitalen Kräften zur Zersetzung althergebrachter aristokratischer Strukturen vor allem im Auswärtigen Amt seiner Zeit nicht aus. Sie beinhaltet damit gerade eine Tendenz hin zur Republikanisierung. Das Hervortreten von Eliten hänge nämlich immer wieder neu auch von jeder neuen Phase der Geschichte ab. Oswald Spengler entwirft eben in diesem kulturphilosophischen Hauptwerk das Panorama einer Geschichtsphilosophie, die die Erfahrungen der Zeit vor und während des Ersten Weltkrieges reflektiert und der allgemeinen Krise des abendländischen Bewußtseins Ausdruck verleiht. Man könnte dieses Krisenbewußtsein zur Jahrhundertwende mit einer Aussage E.M. Ciorans zusammenfassen: „Die Menschheit lebt dahin, verliebt in das sie verleugnende Geschehen.“ (Cioran, Lehre vom Zerfall, Klett-Cotta, 1978, S. 60) – Und Spengler eben fordert den tatkräftigen Genius, der nicht in das Geschehen verliebt ist, sondern es meistert. Fazit: Man legt dieses Buch mit einer wesentlichen Erkenntnis aus der Hand, welche auch der Herausgeber Zwenger bestätigen würde: Für Politologen, Historiker und Soziologen ist das vorliegende Werk unverändert von großem Wert, da sich gerade an ihm wie an kaum einem anderen die Suche der Intellektuellen nach einer deutschen Identität in Zeiten der Modernitätskrise nicht nur der Zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts sondern auch heute nachvollziehen läßt. Der Marix-Verlag liefert hier eine sehr ansehnliche Ausgabe, die zudem rein optisch dem phänomenalen Inhalt des Buches gerecht wird.

Für jeden denkenden Menschen gibt es eine spezifische Form des Denkens, die sich aus demselben Fundus wie seine Weltanschauung und seine Denkergebnisse speist. Und so schrieb der Geschichtsphilosoph Oswald Spengler (1880-1936) im Vorwort zu seinem Buch „Der Untergang des Abendlandes“ (Zuerst 1917): „Ein Denker ist ein Mensch, dem es bestimmt war, durch das eigene Schauen und Verstehen die Zeit symbolisch darzustellen. Er hat keine Wahl. Er denkt, wie er denken muß, und wahr ist zuletzt für ihn, was als Bild seiner Welt mit ihm geboren wurde.“ Allein, mit der vorliegenden Buchausgabe von Spenglers Hauptwerk im Philosophie-Verlag Marix, der überdies viele weitere interessante Überraschungen in sich birgt, haben wir ein Buch vor uns liegen, welches dieser Grundmaxime folgt. Es offenbart ein Denken, von dem man in jedem Satz erkennen kann, daß sein Autor nicht anders konnte, als so zu schreiben, wie er schrieb. Der Stil des Denkers und seine Lehre sind darin unüberwindlich verwandt und einmalig charakteristisch entfaltet, wie es die Schulphilosophie nicht könnte. Spengler gesteht sogar an anderer Stelle: „Eine wissenschaftliche Philosophie wird auf solcher meiner Grundlage nie entstehen.“ – Er ging eben seinen eigenen Weg.

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Die vorliegende Marix-Ausgabe zum „Untergang“ ist die derzeit aktuellste. Sie setzt sich damit positiv vor allem aufgrund eines Kriteriums von den älteren Ausgaben bei C.H. Beck oder dtv ab: Sie beinhaltet ein wichtiges und aktuelles Nachwort des Philosophen und Kulturwissenschaftlers Thomas Zwenger, welches aktueller denn je und ausgestattet mit einer aktuellen Bibliographie exklusiv zum Thema „Untergang des Abendlandes“ ein wichtiges Grundgerüst für diejenigen Politologen und Philosophen bietet, die sich dem Werke Spenglers heute zu öffnen begonnen haben. Entsprechend resümiert Zwenger völlig zu Recht, daß dieses Werk „so attraktiv wie vor 80 Jahren“ sei, weil darin ein „charismatischer Deuter der letzten Gründe unsers Daseins“ auftritt. Zwengers Nachwort liest sich als wunderbarer einführender Essay, den zuerst zu studieren direkt vor dem recht komplexen Gesamtwerk zu empfehlen ist.

Darin nämlich fragt Spengler bekanntlich, inwiefern nicht das Wesen der Geschichte von einmaliger, unwiederholbarer und unverwechselbarer Eigenart ist. Spenglers spezifischer Ansatz schimmert überall durch, nämlich der der Versuch, die Seinslehre (Ontologie) in eine Werdenslehre zu verwandeln, um die alten Weltbilder zu dynamisieren. Daher seine Skepsis gegen die statische Schulwissenschaft, die vermeintlich dauerhaft verharrende Kategorien und Verhältnisse zugrunde legt. Es kann für Spengler hingegen im von ihm gesehenen Chaos der Verwandlungen keine bleibenden Werte geben. Und zugespitzt läßt sich sagen: Alle Schöpfungen in Kultur, Staat, Gesellschaft, Sitten und Anschauungen sind für Spengler Produkte der Natur. Sie unterliegen denselben Bedingungen des Daseins wie die übrigen, nämlich dem strengen vom vorsokratischen Philosophen Heraklit herrührenden Gesetz, daß nichts bleibt und alles sich verändert, daß alles erscheint und gnadenlos vergeht. – „All things must pass“ (George Harrison).

Natürlich ist diesbezüglich bei Spengler die Absicht einer imperialen Machtpolitik auf der Grundlage der Ideen Nietzsches, wonach zwischen Elite und Masse getrennt werden müsse, zu erwähnen. Aber den Ideen Spenglers wohnt damit lediglich die Konzeption des politisch-ökonomischen Realismus inne, der bestimmend für die Zukunft Deutschlands und vieler anderer Staaten der damaligen Zeit war. Er bildet den wichtigsten Kristallisationspunkt in der im hinteren Teil des Buches befindlichen Theorie zum Staat und zum „Cäsarismus“: Nicht der Stammbaum, sondern die „technische Intelligenz“ sollte das grundlegende Kriterium der Auswahl neuer Eliten sein. Ein für damalige Zeiten fortschrittlicher Gedanke.

In der Theorie Spenglers zur „neuen Elite“ sollten die alten Repräsentanten des Geistes eben durch vitale Führer aus Politik und Industrie ersetzt werden. Ein Wechsel der Eliten, wie es auch das allgemeine Programm der Republikanisierung des Staates in der Weimarer Zeit war, bietet sich hier als wichtiger Punkt seiner Philosophie dar – ein wichtiger Aspekt, den unter die Lupe zu nehmen noch aussteht, denn Spenglers Verachtung der Weimarer Republik schließt seine Offenheit gegenüber jungen und vitalen Kräften zur Zersetzung althergebrachter aristokratischer Strukturen vor allem im Auswärtigen Amt seiner Zeit nicht aus. Sie beinhaltet damit gerade eine Tendenz hin zur Republikanisierung. Das Hervortreten von Eliten hänge nämlich immer wieder neu auch von jeder neuen Phase der Geschichte ab. Oswald Spengler entwirft eben in diesem kulturphilosophischen Hauptwerk das Panorama einer Geschichtsphilosophie, die die Erfahrungen der Zeit vor und während des Ersten Weltkrieges reflektiert und der allgemeinen Krise des abendländischen Bewußtseins Ausdruck verleiht. Man könnte dieses Krisenbewußtsein zur Jahrhundertwende mit einer Aussage E.M. Ciorans zusammenfassen: „Die Menschheit lebt dahin, verliebt in das sie verleugnende Geschehen.“ (Cioran, Lehre vom Zerfall, Klett-Cotta, 1978, S. 60) – Und Spengler eben fordert den tatkräftigen Genius, der nicht in das Geschehen verliebt ist, sondern es meistert.

Fazit: Man legt dieses Buch mit einer wesentlichen Erkenntnis aus der Hand, welche auch der Herausgeber Zwenger bestätigen würde: Für Politologen, Historiker und Soziologen ist das vorliegende Werk unverändert von großem Wert, da sich gerade an ihm wie an kaum einem anderen die Suche der Intellektuellen nach einer deutschen Identität in Zeiten der Modernitätskrise nicht nur der Zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts sondern auch heute nachvollziehen läßt. Der Marix-Verlag liefert hier eine sehr ansehnliche Ausgabe, die zudem rein optisch dem phänomenalen Inhalt des Buches gerecht wird.

geschrieben am 05.12.2007 | 821 Wörter | 5039 Zeichen

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