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Sherlock Holmes im Reich des Cthulhu


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Rezension von

Frank Drehmel

Sherlock Holmes im Reich des Cthulhu Im Januar 2008 startete der Blitz-Verlag eine Hardcover-Roman-Reihe, welche die Freunde des anspruchsvollen Grusels nicht zuletzt mit einer Aufmachung ansprechen soll, die sich vom Pulp-Charme der verlagseigenen Tradepaperbacks deutlich unterscheidet. Neben “Sherlock Holmes im Reich des Cthulhu” zeugen gleich drei weitere Neuerscheinungen im Debut-Monat - Andreas Grubers “Das Eulentor” sowie die von Frank Rainer Scheck und Erik Hauser herausgegebene, zweibĂ€ndige Anthologie “Als ich tot war” - von den ambitionierten PlĂ€nen des Verlagsteams um Jörg Kaegelmann. Wir schreiben das Jahr 1906: Mrs. Hudson, die gute Seele des Hauses “Holmes”, findet einen Toten vor der TĂŒr von Baker Street 221b, der Residenz des berĂŒhmten Detektivs. Was zunĂ€chst als recht unspektakulĂ€rer Mordfall beginnt, nimmt schnell ungeahnte Dimensionen an. Nicht genug damit, dass der britische Geheimdienst - in Person von Holmes’ Bruder - in den Fall verwickelt ist, auch der nach dem Reichenbachfall-Sturz totgeglaubte Moriarty taucht wieder auf; zumindest ein Teil von ihm, ein einzelner Finger, dem ein unheiliges Leben innewohnt. Ein seltsamer, mechanischer Laufapparat und ein verstorbener Ingenieur, den es als Untoten zu seiner Familie zieht, runden das Bild einer Geschichte ab, in der ein gewisser Professor Challenger im Auftrag eines wahnsinnigen Islamisten nicht nur die Geheimnisse der von Madame Curie entdeckten RadioaktivitĂ€t zu lĂŒften versucht, sondern auch in der Stadt ohne Namen den monströsen alten Gott Chtulhu erwecken soll. Doch um die verschlĂŒsselten Manuskripte, in denen die notwendigen magischen Rituale niedergeschrieben wurden, zu decodieren, bedarf es eines genialen Verstandes wie Moriartys oder Holmes. Gehen wir in medias res und beginnen bei der Aufmachung des Romans. Mit dem Titelbild wird der Verlag einmal mehr seinem Ruf (unter Phantastik-/Genre-Fans) gerecht, insbesondere dank Mark Freier ĂŒber das gesamte Programm hinweg die besten Cover-Illustrationen und die beste Cover-Gestaltung zumindest im deutschsprachigen Verlagsraum zu bieten. Im vorliegenden Fall ziert das ausdrucksstarke, thematisch passende Bild nicht nur den Schutzumschlag, sondern auch als ganzseitiger Druck den Einband des Romans. FĂŒr jemand, der einem monochromen und monotonen Halbleinen- oder Leinen-Look nicht das Geringste abgewinnen kann, ist diese Gestaltung ein erfreuliches Bonbon. Leider nur im ĂŒblichen HC-Rahmen bewegt sich die Papier-QualitĂ€t; hier hĂ€tte ich mir ein etwas höherwertiges - weißeres und schwereres - Papier gewĂŒnscht. Das Seitenlayout selbst ist mit 27 Zeilen pro Seite und relativ breiten RĂ€ndern - euphemistisch ausgedrĂŒckt - sehr ĂŒbersichtlich gehalten. Legen wir die Verpackung beiseite und kommen zum Inhalt. Noch bevor die erste Zeile gelesen ist, fragt man sich, ob der Autor der Herausforderung gewachsen ist, die wohl berĂŒhmteste Figur des Detektivromans mit einem der bedeutendsten Horror-Mythen der phantastischen Literatur des frĂŒhen 20. Jahrhunderts zu verbinden, ohne dass eines der beiden Elemente Schaden nimmt. Um es vorweg zu nehmen: in dieser Hinsicht scheitert Klaus-Peter Walter zwar, dem LesevergnĂŒgen tut das dennoch keinen Abbruch. Stilistisch kommt “Sherlock Holmes im Reich des Chtulhu” mit seiner prĂ€zisen Sprache und der Wahl der Perspektive - die Geschichte wird aus der Sicht Watsons erzĂ€hlt - den ursprĂŒnglichen Detektiv-Storys sehr nahe. Holmes eloquentes Auftreten, seine spitzfindigen Argumentationen sowie Watsons verhalten distanzierte, humorvolle Kommentierungen zeugen von fundierten Kenntnissen des Autors bezĂŒglich Doyles Oeuvre Im Gegensatz dazu ist das Metaphysische Walters Angelegenheit nicht und so baut er es wie beilĂ€ufig, ohne Verve in die Geschichte ein. Nicht zuletzt wegen der klaren Sprache und dem gewissermaßen analytischen Grundtenor, welche ungeeignet sind, die dĂŒsteren Visionen, die unheimliche AtmosphĂ€re des Lovecraft’schen Cthulhu-Universums fesselnd zu transportieren, bleibt die Stadt ohne Namen eine Stadt ohne beĂ€ngstigende Eigenschaften und Cthulhu eine Art etwas grĂ¶ĂŸerer KopffĂŒĂŸer. Doch auch wenn der Autor dem Cthulhu-Mythos zu keinem Zeitpunkt gerecht wird, bietet der Roman dennoch Lesespaß pur - eben lediglich im Sinne einer “klassischen” Detektiv-Story. Nicht nur, dass zahlreiche Ereignisse des beginnenden 20. Jahrhunderts und zahlreiche historische Persönlichkeiten quasi als topaktuelle News dem Leser durch die Augen Dr. Watson verkauft werden, auch ein anderer berĂŒhmter Doyle-Protagonist, der ehrgeizige und schroffe Professor Challenger, mischt krĂ€ftig in der spannenden, im Grunde einfach konstruierten, jedoch verzwickt prĂ€sentierten Geschichte mit. Und ab dem Moment, als Holmes alter Gegenspieler, Moriarty, von den Toten aufersteht, weht ein Hauch von Steampunk durch das nach-viktorianische England. Nicht befriedigend ist allerdings die Tatsache, dass sich Holmes fast widerstandslos der “Magie” des cthulhuiden Universums ergibt. NatĂŒrlich sind RationalitĂ€t und Metaphysik keine antagonistischen WidersprĂŒche, doch die fehlende Rationalisierung des Übersinnlichen durch den Detektiv erscheint unter Doyles Maßgabe “out of character”. Fazit: Als hintergrundgerechtes Crossover von klassischem Detektiv-Roman und Cthulhu-Mythos zwar misslungen, aber wegen der stilistischen Feinheiten und zahlreicher zeitgeschichtlicher Anspielungen dennoch ein riesengroßer Lesespaß.

Im Januar 2008 startete der Blitz-Verlag eine Hardcover-Roman-Reihe, welche die Freunde des anspruchsvollen Grusels nicht zuletzt mit einer Aufmachung ansprechen soll, die sich vom Pulp-Charme der verlagseigenen Tradepaperbacks deutlich unterscheidet.

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Wir schreiben das Jahr 1906: Mrs. Hudson, die gute Seele des Hauses “Holmes”, findet einen Toten vor der TĂŒr von Baker Street 221b, der Residenz des berĂŒhmten Detektivs. Was zunĂ€chst als recht unspektakulĂ€rer Mordfall beginnt, nimmt schnell ungeahnte Dimensionen an. Nicht genug damit, dass der britische Geheimdienst - in Person von Holmes’ Bruder - in den Fall verwickelt ist, auch der nach dem Reichenbachfall-Sturz totgeglaubte Moriarty taucht wieder auf; zumindest ein Teil von ihm, ein einzelner Finger, dem ein unheiliges Leben innewohnt.

Ein seltsamer, mechanischer Laufapparat und ein verstorbener Ingenieur, den es als Untoten zu seiner Familie zieht, runden das Bild einer Geschichte ab, in der ein gewisser Professor Challenger im Auftrag eines wahnsinnigen Islamisten nicht nur die Geheimnisse der von Madame Curie entdeckten RadioaktivitĂ€t zu lĂŒften versucht, sondern auch in der Stadt ohne Namen den monströsen alten Gott Chtulhu erwecken soll. Doch um die verschlĂŒsselten Manuskripte, in denen die notwendigen magischen Rituale niedergeschrieben wurden, zu decodieren, bedarf es eines genialen Verstandes wie Moriartys oder Holmes.

Gehen wir in medias res und beginnen bei der Aufmachung des Romans. Mit dem Titelbild wird der Verlag einmal mehr seinem Ruf (unter Phantastik-/Genre-Fans) gerecht, insbesondere dank Mark Freier ĂŒber das gesamte Programm hinweg die besten Cover-Illustrationen und die beste Cover-Gestaltung zumindest im deutschsprachigen Verlagsraum zu bieten.

Im vorliegenden Fall ziert das ausdrucksstarke, thematisch passende Bild nicht nur den Schutzumschlag, sondern auch als ganzseitiger Druck den Einband des Romans. FĂŒr jemand, der einem monochromen und monotonen Halbleinen- oder Leinen-Look nicht das Geringste abgewinnen kann, ist diese Gestaltung ein erfreuliches Bonbon.

Leider nur im ĂŒblichen HC-Rahmen bewegt sich die Papier-QualitĂ€t; hier hĂ€tte ich mir ein etwas höherwertiges - weißeres und schwereres - Papier gewĂŒnscht. Das Seitenlayout selbst ist mit 27 Zeilen pro Seite und relativ breiten RĂ€ndern - euphemistisch ausgedrĂŒckt - sehr ĂŒbersichtlich gehalten.

Legen wir die Verpackung beiseite und kommen zum Inhalt. Noch bevor die erste Zeile gelesen ist, fragt man sich, ob der Autor der Herausforderung gewachsen ist, die wohl berĂŒhmteste Figur des Detektivromans mit einem der bedeutendsten Horror-Mythen der phantastischen Literatur des frĂŒhen 20. Jahrhunderts zu verbinden, ohne dass eines der beiden Elemente Schaden nimmt. Um es vorweg zu nehmen: in dieser Hinsicht scheitert Klaus-Peter Walter zwar, dem LesevergnĂŒgen tut das dennoch keinen Abbruch.

Stilistisch kommt “Sherlock Holmes im Reich des Chtulhu” mit seiner prĂ€zisen Sprache und der Wahl der Perspektive - die Geschichte wird aus der Sicht Watsons erzĂ€hlt - den ursprĂŒnglichen Detektiv-Storys sehr nahe. Holmes eloquentes Auftreten, seine spitzfindigen Argumentationen sowie Watsons verhalten distanzierte, humorvolle Kommentierungen zeugen von fundierten Kenntnissen des Autors bezĂŒglich Doyles Oeuvre

Im Gegensatz dazu ist das Metaphysische Walters Angelegenheit nicht und so baut er es wie beilĂ€ufig, ohne Verve in die Geschichte ein. Nicht zuletzt wegen der klaren Sprache und dem gewissermaßen analytischen Grundtenor, welche ungeeignet sind, die dĂŒsteren Visionen, die unheimliche AtmosphĂ€re des Lovecraft’schen Cthulhu-Universums fesselnd zu transportieren, bleibt die Stadt ohne Namen eine Stadt ohne beĂ€ngstigende Eigenschaften und Cthulhu eine Art etwas grĂ¶ĂŸerer KopffĂŒĂŸer.

Doch auch wenn der Autor dem Cthulhu-Mythos zu keinem Zeitpunkt gerecht wird, bietet der Roman dennoch Lesespaß pur - eben lediglich im Sinne einer “klassischen” Detektiv-Story. Nicht nur, dass zahlreiche Ereignisse des beginnenden 20. Jahrhunderts und zahlreiche historische Persönlichkeiten quasi als topaktuelle News dem Leser durch die Augen Dr. Watson verkauft werden, auch ein anderer berĂŒhmter Doyle-Protagonist, der ehrgeizige und schroffe Professor Challenger, mischt krĂ€ftig in der spannenden, im Grunde einfach konstruierten, jedoch verzwickt prĂ€sentierten Geschichte mit. Und ab dem Moment, als Holmes alter Gegenspieler, Moriarty, von den Toten aufersteht, weht ein Hauch von Steampunk durch das nach-viktorianische England.

Nicht befriedigend ist allerdings die Tatsache, dass sich Holmes fast widerstandslos der “Magie” des cthulhuiden Universums ergibt. NatĂŒrlich sind RationalitĂ€t und Metaphysik keine antagonistischen WidersprĂŒche, doch die fehlende Rationalisierung des Übersinnlichen durch den Detektiv erscheint unter Doyles Maßgabe “out of character”.

Fazit: Als hintergrundgerechtes Crossover von klassischem Detektiv-Roman und Cthulhu-Mythos zwar misslungen, aber wegen der stilistischen Feinheiten und zahlreicher zeitgeschichtlicher Anspielungen dennoch ein riesengroßer Lesespaß.

geschrieben am 11.02.2008 | 718 Wörter | 4732 Zeichen

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