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Undermensch


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Rezension von

Johanna Götzendorfer

Undermensch In „Undermensch“ bringt der Holocaust-Überlebende Anatol Chari nach mehreren Jahrzehnten seine Erinnerungen über die Zeit des Zweiten Weltkrieges zu Papier. Gemeinsam mit Timothy Braatz, einem amerikanischen Historiker, der Chari durch Nachfragen und sozusagen Sich-Erzählen-Lassen zum Erinnern ermutigte und eben diese Erinnerungen durch Fußnoten historisch fundierte und verortete, veröffentlichte er „Undermensch“. Charis Geschichte ist die eines polnischen Juden unter der Schreckensherrschaft des Nazi-Regimes: Auf die Isolierung im Ghetto von Lodz folgte die Deportation in die KZ´s Auschwitz, Groß-Rosen und Bergen-Belsen, in denen der junge Chari (geboren im Jahr 1923) Schreckliches durchmachte und schlussendlich überlebte. Allerdings unterscheiden Charis Erinnerungen sich in einem Punkt wesentlich von denen anderer Holocaust-Überlebender: Als Mitglied der umstrittenen Ghettopolizei im Lodzer Ghetto wurde/wird er oft mit dem Vorwurf konfrontiert, den Deutschen zugespielt zu haben, viele Ghettopolizisten verhielten sich auch innerhalb des Ghettos grausam und nutzten ihre privilegierte Stellung einzig zum eigenen Vorteil. Insofern sind die Erinnerungen eines Mitglieds der Ghettopolizei spezielles und auch rares Material im Hinblick auf die Literatur der Shoah. Chari erinnert sich an seine Zeit als Ghettopolizist in Lodz, erzählt auch ziemlich unverblümt von den Privilegien, die sich ihm dadurch ableiteten: so hatte er etwa besseren Zugang zu Lebensmitteln, verkehrte in den „besseren“ Kreisen der Ghettogesellschaft, konnte tauschen und organisieren und im Gegensatz zu manch anderen Lodzer Juden, die tatsächlich am Hungertuch nagten und wegen der Lebensmittelknappheit und –rationierungen nicht wussten, wie sie sich und ihre Familien ernähren sollten, sich etwa schicke Stiefel organisieren konnte. Diesen Erinnerungen eines privilegierten Ghetto-Bewohners stellt Timothy Braatz in seinen Fußnoten die Tagebucheinträge von David Sierakowiak entgegen, wohl um dem Leser auch die ärmste Seite des Ghettos zu verdeutlichen. Zudem stand Chari noch unter dem „Schutz“ seines zuvor von der Gestapo verschleppten und ermordeten Vaters, der zur Lodzer Lokal- und Politprominenz gehörte: Sein Nachname allein beziehungsweise die Tatsache, Sohn seines weitbekannten Vaters zu sein, brachte ihm wiederum andere Vorteile ein. Chari schweigt sich in seinen Erinnerungen kaum dazu aus – er ist sich seiner damaligen privilegierten Situation bewusst und hadert auch oftmals mit sich selber, wenn er etwa an Gegebenheiten denkt, in denen er anderen, hilfsbedürftigen Menschen im Ghetto eben diese verweigert hat. Nach der Deportation in verschiedene Ghettos verschweigt Chari, Mitglied der Ghettopolizei gewesen zu sein, um sich zu schützen. Allerdings ist er um einiges besser genährt als andere jüdische Deportierte und hat somit weit größere Überlebenschancen. Er geht durch die KZ-Hölle der Deutschen: Von Auschwitz über Groß-Rosen nach Bergen-Belsen hin zu kleineren Arbeitslagern. Durch Zufälle, glückliche Situationen, Beziehungen zu anderen KZ-Inhaftierten, menschlichen SS-Mitgliedern überlebt Chari: Der Untertitel von „Undermensch“ lautet nicht umsonst: „Mein Überleben durch Glück und Privilegien“. Chari bemüht sich sehr zu verdeutlichen dass das Überleben einer derartigen Hölle beinahe ausschließlich Glückssache oder Zufall ist, keine Leistung oder Belohnung für irgendetwas. Sein eigenes Überleben sieht er als Wunder an. Aber er spricht auch aus, dass man, um zu überleben, vielfach auch egoistisch zu handeln hatte. „Undermensch“ ist ein Buch, das aus zu Papier gebrachten Erinnerungen besteht und sich auch so liest. Allzu hohe literarisch-sprachliche Erwartungen sind fehl am Platz und werden auch nicht erfüllt: es liest sich viel mehr als Transkription, eben als erzählte und dann zu Papier gebrachte Erinnerungen. Zudem darf man bei der Lektüre nicht vergessen, dass es sich eben um Erinnerungen handelt, die nach Jahrzehnten wieder auftauchen. Es sind Dinge, die Anatol Chari so wie beschrieben subjektiv erlebt hat, ein anderer hätte sie vielleicht anders wahrgenommen oder erinnert. Generell kann man aber sagen, dass „Undermensch“ ein Buch ist, das nicht nur Lebensmut und –wille ausstrahlt, sondern sich auch mit schwierigen Thematiken innerhalb des menschlichen Seins in Extremsituationen beschäftigt.

In „Undermensch“ bringt der Holocaust-Überlebende Anatol Chari nach mehreren Jahrzehnten seine Erinnerungen über die Zeit des Zweiten Weltkrieges zu Papier. Gemeinsam mit Timothy Braatz, einem amerikanischen Historiker, der Chari durch Nachfragen und sozusagen Sich-Erzählen-Lassen zum Erinnern ermutigte und eben diese Erinnerungen durch Fußnoten historisch fundierte und verortete, veröffentlichte er „Undermensch“.

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18.02.2010

Charis Geschichte ist die eines polnischen Juden unter der Schreckensherrschaft des Nazi-Regimes: Auf die Isolierung im Ghetto von Lodz folgte die Deportation in die KZ´s Auschwitz, Groß-Rosen und Bergen-Belsen, in denen der junge Chari (geboren im Jahr 1923) Schreckliches durchmachte und schlussendlich überlebte.

Allerdings unterscheiden Charis Erinnerungen sich in einem Punkt wesentlich von denen anderer Holocaust-Überlebender: Als Mitglied der umstrittenen Ghettopolizei im Lodzer Ghetto wurde/wird er oft mit dem Vorwurf konfrontiert, den Deutschen zugespielt zu haben, viele Ghettopolizisten verhielten sich auch innerhalb des Ghettos grausam und nutzten ihre privilegierte Stellung einzig zum eigenen Vorteil. Insofern sind die Erinnerungen eines Mitglieds der Ghettopolizei spezielles und auch rares Material im Hinblick auf die Literatur der Shoah.

Chari erinnert sich an seine Zeit als Ghettopolizist in Lodz, erzählt auch ziemlich unverblümt von den Privilegien, die sich ihm dadurch ableiteten: so hatte er etwa besseren Zugang zu Lebensmitteln, verkehrte in den „besseren“ Kreisen der Ghettogesellschaft, konnte tauschen und organisieren und im Gegensatz zu manch anderen Lodzer Juden, die tatsächlich am Hungertuch nagten und wegen der Lebensmittelknappheit und –rationierungen nicht wussten, wie sie sich und ihre Familien ernähren sollten, sich etwa schicke Stiefel organisieren konnte. Diesen Erinnerungen eines privilegierten Ghetto-Bewohners stellt Timothy Braatz in seinen Fußnoten die Tagebucheinträge von David Sierakowiak entgegen, wohl um dem Leser auch die ärmste Seite des Ghettos zu verdeutlichen. Zudem stand Chari noch unter dem „Schutz“ seines zuvor von der Gestapo verschleppten und ermordeten Vaters, der zur Lodzer Lokal- und Politprominenz gehörte: Sein Nachname allein beziehungsweise die Tatsache, Sohn seines weitbekannten Vaters zu sein, brachte ihm wiederum andere Vorteile ein. Chari schweigt sich in seinen Erinnerungen kaum dazu aus – er ist sich seiner damaligen privilegierten Situation bewusst und hadert auch oftmals mit sich selber, wenn er etwa an Gegebenheiten denkt, in denen er anderen, hilfsbedürftigen Menschen im Ghetto eben diese verweigert hat.

Nach der Deportation in verschiedene Ghettos verschweigt Chari, Mitglied der Ghettopolizei gewesen zu sein, um sich zu schützen. Allerdings ist er um einiges besser genährt als andere jüdische Deportierte und hat somit weit größere Überlebenschancen. Er geht durch die KZ-Hölle der Deutschen: Von Auschwitz über Groß-Rosen nach Bergen-Belsen hin zu kleineren Arbeitslagern. Durch Zufälle, glückliche Situationen, Beziehungen zu anderen KZ-Inhaftierten, menschlichen SS-Mitgliedern überlebt Chari: Der Untertitel von „Undermensch“ lautet nicht umsonst: „Mein Überleben durch Glück und Privilegien“. Chari bemüht sich sehr zu verdeutlichen dass das Überleben einer derartigen Hölle beinahe ausschließlich Glückssache oder Zufall ist, keine Leistung oder Belohnung für irgendetwas. Sein eigenes Überleben sieht er als Wunder an. Aber er spricht auch aus, dass man, um zu überleben, vielfach auch egoistisch zu handeln hatte.

„Undermensch“ ist ein Buch, das aus zu Papier gebrachten Erinnerungen besteht und sich auch so liest. Allzu hohe literarisch-sprachliche Erwartungen sind fehl am Platz und werden auch nicht erfüllt: es liest sich viel mehr als Transkription, eben als erzählte und dann zu Papier gebrachte Erinnerungen.

Zudem darf man bei der Lektüre nicht vergessen, dass es sich eben um Erinnerungen handelt, die nach Jahrzehnten wieder auftauchen. Es sind Dinge, die Anatol Chari so wie beschrieben subjektiv erlebt hat, ein anderer hätte sie vielleicht anders wahrgenommen oder erinnert.

Generell kann man aber sagen, dass „Undermensch“ ein Buch ist, das nicht nur Lebensmut und –wille ausstrahlt, sondern sich auch mit schwierigen Thematiken innerhalb des menschlichen Seins in Extremsituationen beschäftigt.

geschrieben am 18.02.2010 | 594 Wörter | 3747 Zeichen

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