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Lied ohne Worte


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Rezension von

Ragan Tanger

Lied ohne Worte Musischer Zauber Eine junge Frau, deren genaues Alter schwer einzuschätzen ist, ziert ein altes Foto, das auch alle modernen Bearbeitungstechniken nicht neuer machen wollen. Vielleicht, der Herausgeber lässt das offen, handelt es sich um ein fotografisches Portrait der russischen Schriftstellerin Sofja Tolstaja, die die Vorlage für dieses Hörbuch schrieb. Um die vorletzte Jahrhundertwende war das und Tolstaja war damals schon über fünfzig Jahre alt, kein junges Mädchen mehr also. Vielleicht zeigt uns der Verlag also auch eine, wie auch immer historisch bebilderte Annäherung an die Protagonistin dieses Hörbuches, das gleich mehrere Besonderheiten aufzuweisen hat. Das schon abseits seines Inhaltes anziehen will und ergreifen muss. Zum einen wäre da die Autorin selbst, bei der nur russische Sprachkundige bereits vermuten können, um wen es sich konkret handelt. Tolstaja ist die weibliche Form Tolstois, ergo also seine Ehefrau, die trotz aller Höhen und Tiefen, von denen auch dieses Buch zu berichten weiß, immerhin fünfzig Jahre mit dem großen Protagonisten russischer Heimat- und Naturepen verheiratet war. Glücklich ging es dabei nicht immer zu, davon weiß Tolstaja in diesem fiktiven, aber offensichtlich an ihr persönliches Schicksal angelehnten Bericht zu erzählen: Die Liebe zu einem zauberhaften Musiker einer enttäuschten Frau, die in ihrer Ehe keine Befriedigung und kein Seelenheil finden will. Sofja Andrejewna Tolstaja war schon von ihrer Geburt an in höchste Kreise verwickelt. Da ihr Vater als Arzt im Kreml praktizierte wurde sie genau dort geboren und wuchs auch in der heiligen Stadt innerhalb der Hauptstadt des Zarenreichs auf. Literarisch bewandert war sie von kleinauf; auch schriftstellerisch versuchte sie sich, allerdings verbrannte sie aus gesellschaftlicher Konvention oder persönlicher Scham ihre eigenen Schriften. Nur die späten, in den letzten zwanzig Jahres ihres Lebens erzeugten Werke, überlebten, so wie die acht Kinder, die sie aus sechzehn Schwangerschaften gebar. Ein durch und durch bewegendes Leben und ein überaus bewegender Roman, der erstmalig in Deutsch vorliegt. Warum das russische Original als solches nicht von russischen Verlagen aufgearbeitet und editiert wurde (die deutsche Edition ist eine Weltpremiere!), ist ein zu ergründendes Rätsel. Liegt es an den auch heute noch existierenden Vorurteilen gegenüber weiblicher Autorenschaft im 19. Jahrhundert oder wird die Tolstaja nur als vermeintliches Anhängsel des Übervaters Leo Tolstoi angesehen? 2010 waren deutsche Leser und 2011 auch deutschsprachige Hörer die ersten, die in den Genuss einer Herausgabe kommen durften. Eine Schande, dass dies ihr in ihrem Heimatland verwehrt wurde. Denn neben ihrer bitterklaren, verantwortungsvollen und weiblich einfühlsamen Sprache ist die Authentizität, die Projektion ihrer eigenen Biographie, die überdeutlich den Widerspruch zwischen Ehemann und Ehefrau, zwischen Sinnlichkeit und Sehnsucht, vorlegt, einfach grandios und hörenswert. Sonja Beißwenger, die passionierte Schauspielerin vom Staatsschauspielhaus in Dresden hat da fast schon leichtes Spiel. Zu scharf, zu schneidend, zu haargenau sind die Worte gewählt – und doch: Beißwenger sei Dank, sie umkleidet den teuren Stoff dezent und partnerschaftlich passend. Die überwältigende Kraft der Musik, der Tolstoi als Lockruf an die Sinnlichkeit kritisch gegenüberstand, wird hier Spalier gestanden. Lieder ohne Worte verzaubern und stellen den Kontrast zur rationalen, alles, auch die Göttlichkeit, beherrschen wollenden Männlichkeit dar. Ein weibliches Manifest, das mehr denn je in Zeiten oberflächlichen Feminismus zu hören ist. So viel Geschichte in der Geschichte war selten. Kraftvoll, berührend, traurig und ganz wichtig.

Musischer Zauber

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Eine junge Frau, deren genaues Alter schwer einzuschätzen ist, ziert ein altes Foto, das auch alle modernen Bearbeitungstechniken nicht neuer machen wollen. Vielleicht, der Herausgeber lässt das offen, handelt es sich um ein fotografisches Portrait der russischen Schriftstellerin Sofja Tolstaja, die die Vorlage für dieses Hörbuch schrieb. Um die vorletzte Jahrhundertwende war das und Tolstaja war damals schon über fünfzig Jahre alt, kein junges Mädchen mehr also. Vielleicht zeigt uns der Verlag also auch eine, wie auch immer historisch bebilderte Annäherung an die Protagonistin dieses Hörbuches, das gleich mehrere Besonderheiten aufzuweisen hat. Das schon abseits seines Inhaltes anziehen will und ergreifen muss.

Zum einen wäre da die Autorin selbst, bei der nur russische Sprachkundige bereits vermuten können, um wen es sich konkret handelt. Tolstaja ist die weibliche Form Tolstois, ergo also seine Ehefrau, die trotz aller Höhen und Tiefen, von denen auch dieses Buch zu berichten weiß, immerhin fünfzig Jahre mit dem großen Protagonisten russischer Heimat- und Naturepen verheiratet war. Glücklich ging es dabei nicht immer zu, davon weiß Tolstaja in diesem fiktiven, aber offensichtlich an ihr persönliches Schicksal angelehnten Bericht zu erzählen: Die Liebe zu einem zauberhaften Musiker einer enttäuschten Frau, die in ihrer Ehe keine Befriedigung und kein Seelenheil finden will.

Sofja Andrejewna Tolstaja war schon von ihrer Geburt an in höchste Kreise verwickelt. Da ihr Vater als Arzt im Kreml praktizierte wurde sie genau dort geboren und wuchs auch in der heiligen Stadt innerhalb der Hauptstadt des Zarenreichs auf. Literarisch bewandert war sie von kleinauf; auch schriftstellerisch versuchte sie sich, allerdings verbrannte sie aus gesellschaftlicher Konvention oder persönlicher Scham ihre eigenen Schriften. Nur die späten, in den letzten zwanzig Jahres ihres Lebens erzeugten Werke, überlebten, so wie die acht Kinder, die sie aus sechzehn Schwangerschaften gebar. Ein durch und durch bewegendes Leben und ein überaus bewegender Roman, der erstmalig in Deutsch vorliegt.

Warum das russische Original als solches nicht von russischen Verlagen aufgearbeitet und editiert wurde (die deutsche Edition ist eine Weltpremiere!), ist ein zu ergründendes Rätsel. Liegt es an den auch heute noch existierenden Vorurteilen gegenüber weiblicher Autorenschaft im 19. Jahrhundert oder wird die Tolstaja nur als vermeintliches Anhängsel des Übervaters Leo Tolstoi angesehen? 2010 waren deutsche Leser und 2011 auch deutschsprachige Hörer die ersten, die in den Genuss einer Herausgabe kommen durften. Eine Schande, dass dies ihr in ihrem Heimatland verwehrt wurde. Denn neben ihrer bitterklaren, verantwortungsvollen und weiblich einfühlsamen Sprache ist die Authentizität, die Projektion ihrer eigenen Biographie, die überdeutlich den Widerspruch zwischen Ehemann und Ehefrau, zwischen Sinnlichkeit und Sehnsucht, vorlegt, einfach grandios und hörenswert.

Sonja Beißwenger, die passionierte Schauspielerin vom Staatsschauspielhaus in Dresden hat da fast schon leichtes Spiel. Zu scharf, zu schneidend, zu haargenau sind die Worte gewählt – und doch: Beißwenger sei Dank, sie umkleidet den teuren Stoff dezent und partnerschaftlich passend. Die überwältigende Kraft der Musik, der Tolstoi als Lockruf an die Sinnlichkeit kritisch gegenüberstand, wird hier Spalier gestanden. Lieder ohne Worte verzaubern und stellen den Kontrast zur rationalen, alles, auch die Göttlichkeit, beherrschen wollenden Männlichkeit dar. Ein weibliches Manifest, das mehr denn je in Zeiten oberflächlichen Feminismus zu hören ist. So viel Geschichte in der Geschichte war selten. Kraftvoll, berührend, traurig und ganz wichtig.

geschrieben am 24.06.2011 | 527 Wörter | 3210 Zeichen

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