ISBN | 3642208126 | |
Herausgeber | Barbara Suppé , Irene U. Spirgi-Gantert , Susanne Klein-Vogelbach | |
Verlag | Springer | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 320 | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Extras | - |
Physiotherapeutisch unverzichtbar
Wahrscheinlich liegt es einfach nur am Namen, dass die große Öffentlichkeit an diesem genialen Konzept noch nicht in hohem Maße teilgenommen hat (nebenbei: sieben! Zeilen sind ihr bei Wikipedia gewidmet)?! Nimmt die große Öffentlichkeit überhaupt an körpertherapeutischen Konzepten teil? Auf Anhieb fallen mir nur der Bruder von Grönemeyer und der Fitnesspapst Strunz ein, aber das sind keine therapeutischen Konzepte, sondern marktschreierischer Humbug. Ganz anders ist da das immerhin in der sechsten Auflage erschienene Handbuch der therapeutischen Übungen der Funktionellen Bewegungslehre, kurz FBL, von Susanne Klein-Vogelbach. Also zumindest das Fachpublikum versteht, was es hier in den Händen hält, wie die erneut überarbeitete und aufgrund der großen Nachfrage nächste Auflagen zeigen darf.
Zurück zum Namen: Frau Kein-Vogelbach kann nun wirklich nichts dafür, aber irgendwie haben Leute wie Moshe Feldenkrais oder Frederic Alexander einfach einen Vorsprung. Oder man denke an Wilhelm Reich. Das sitzt und greift und ist auf alle Zeiten einprägsam. Und ob Klein-Vogelbach oder ihre, die Tradition und das Wissen bewahrenden Nachfolgerinnen, wie Mitherausgeberinnen Irene Spirigi-Gantert oder Barbara Suppe, mit dem Begriff FBL oder Functional Kinetics sich im Kollektivgedächtnis verankern, ist auch zweifelhaft – weil: kein semantischer Stein im Brett, der für Sensationen sorgt.
Dabei wäre genau das notwendig, denn das hier vorliegende Buch war und ist einfach ein Meilenstein. Didaktisch, methodisch top und dazu versehen mit all dem großartigen Wissen und der Seele eines naturverbundenen Körperkenners wie Susanne Klein-Vogelbach. Ganz in Tradition einer Dore Jacobs oder Elsa Gindler steht eine Frau an der Spitze einer fantastischen, ökonomischen und authentischen Bewegungsschulung. Ab den 1960er Jahren vermittelte die Schweizerin ihr Wissen an zahlreichen Schulen und wurde maßgebend für viele Aspekte der Physiotherapie. Demzufolge MUSS – und das kann man gar nicht groß genug schrieben – ein jeder, der sich ansatzweise professionell in dieser Richtung bewegt, solch ein Buch im Repertoire haben, denn der Inhalt ist so vielfältig und hilfreich, das man nicht auf ihn verzichten sollte.
Für nahezu alle wichtigen, funktionell behandelbaren Körperbereiche bietet das Buch praxisnahe Übungen. Das an sich ist keine Besonderheit, nur aber wie die Übungen bebildert und vor allen Dingen beschrieben sind, das ist aller Ehren – respektive Klein-Vogelbach – wert! Lernziel, Lernweg, Übungsanleitung, Varianten, Anpassungen (bei Einschränkungen der Patienten bsw.): alle einzelnen Schritte farblich und vom Platz her sauber abgesetzt und übersichtlich. Dazu noch bei manchen Bewegungen vertiefende Analyse mit räumlichen Fixpunkten, Bewegungstempo und und und. Ein gefundenes Fressen für alle Menschen, die funktionelle Übungen richtig genau und richtig gut erklärt bekommen wollen.
Ja, dieses richtig gut, gilt es noch kurz zu erörtern, denn angeblich gibt es auf dem Bewegungsmarkt so viele Meinungen, wie es Gesichter hat. Das ist genau so ein Unsinn, wie der, den die oben genannten vermeintlichen Poppulärwissenschaftler von sich geben. Es gibt eine anthropologische Bewegungsökonomie, die sich nicht seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden, sondern seit mindestens einhundert tausend Jahren an Schwerkaft, Gewebestruktur und physikalischen Kraftwirkungen ausrichtet. Und diese sind messbar und einstellbar, selbstredend im Einzelfall immer variabel, aber ein Klappmesser bleibt Körperverletzung, so oder so. Ach, und falls das nicht deutlich wurde: Zum Menschen gehören natürlich in erster Linie auch noch Herz und Geist. Man schaue einfach auf die Bilder und genieße die Power dieses Buches, dann weiß man, dass jene Kräfte selbstredend vollständig integriert sind. Verbeugung, Hut ab und Chapeau, und unprägnant klingender Doppelname hin oder her. Das ist körpertherapeutischer state of the art. Unverzichtbar und uneingeschränkt und allzeit empfehlenswert!
geschrieben am 10.02.2012 | 559 Wörter | 3515 Zeichen
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