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Blutige Nachrichten


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Rezension von

Thomas Stumpf

Blutige Nachrichten Stephen Kings „Blutige Nachrichten“ (Original: „If it bleeds“) kommt mit vier neuen Kurzromanen im Gepäck, die es zusammen auf über 500 Seiten schaffen. Der Titel ist eine Anspielung auf die in der Nachrichtenbranche beheimatete Redewendung „if it bleeds, it leads“, sinngemäß etwa mit der Bedeutung „je blutiger, desto mehr Aufmerksamkeit, desto höher die Auflage“. Herzstück und mit ca. 240 Seiten zugleich längste Erzählung der Sammlung ist dann auch die titelgebende Geschichte „Blutige Nachrichten“, mit der Holly Gibney nach ihren Auftritten als Nebenfigur in „Mr. Mercedes“, „Finderlohn“, „Mindcontrol“ und zuletzt in „Der Outsider“ endlich ihren ersten Soloauftritt bekommt. Die höchst sympathische Ermittlerin mit ihren neurotischen und familiären Problemen hat nach einem schrecklichen Bombenanschlag auf eine Schule einen schrecklichen Verdacht, dem sie nachgeht. Denn der TV-Reporter, der über den feigen Anschlag berichtet, scheint nicht ganz koscher zu sein. Schließlich kommt sie einem weiteren Outsider auf die Schliche und findet ihre Vermutung bestätigt, dass es mehrere dieser Wesen gibt, von denen uns eines bereits im gleichnamigen Roman von Stephen King begegnet ist. Die Geschichte ist - losgelöst von „Der Outsider“ betrachtet - gut und auch recht interessant. Kennt man den Roman aber, so tun sich hier keine neuen Erkenntnisse auf und der Text wirkt wie ein Nachklatsch, den man eigentlich nicht gebraucht hätte. Ein Leser, der den Roman noch nicht kennt, wird leider gespoilert werden und sich fragen, warum er jetzt überhaupt noch den Roman lesen sollte. Das ist der kleine Haken an der Sache. Die nicht mit Überraschungen oder Wendungen ein wenig dahin plätschernde Geschichte lebt von Holly Gibney und ich persönlich würde gerne noch mehr Geschichten mit ihr lesen, weil sie einfach eine interessante und liebenswerte Protagonistin ist. Gerne aber in einem anderen Kontext. Eine weitere Geschichte ist „Chucks Leben“, mit dem King formal neue Wege beschreitet. Die Story ist in drei Teile gegliedert, die rückwärts, vom Ende her geschrieben sind, um dann, so finde ich, eine wunderbare Offenbarung zu leisten. Es beginnt als apokalyptisches Endzeitszenario, das sich als der Tod eines liebenswerten und geschätzten Familienvaters herausstellt. Die Geschichte zeigt zum einen, dass der Verlust eines geliebten Menschen den Untergang für alle, die ihn liebten, bedeuten kann und spielt zudem ein wenig mit der Idee, was wäre, wenn die Welt nicht real, sondern nur die Gedanken oder der Traum eines anderen Menschen wäre. Eine tolle, sehr runde Geschichte. King mal anders. Den Beginn macht aber „Mr. Harrigans Telefon“, eine Parabel auf die immer größer werdende Macht und den Einfluss von Smartphones. Wichtig zu wissen ist, dass die Geschichte zeitlich nicht heute, sondern zu Beginn des Aufkommens dieser kleinen technischen Meisterwerke spielt. Der kleine Craig freundet sich mit dem alten Mr. Harrigan an, einem schwerreichen, alleinstehenden Geschäftsmann im Ruhestand, der keine Ahnung von Smartphones hat und auch keines besitzt. Craig, der für Mr. Harrigan Rasen mäht und ihm Bücher vorliest, ändert diesen Zustand und der alte Mann verfällt dem Zauber des Geräts. Natürlich schlägt hier der King-Faktor zu, denn Mr. Harrigan sendet nach seinem Ableben seinem jungen Nachbarsjungen Craig sogar Nachrichten aus dem Jenseits. Den Abschluss bildet die meiner Meinung nach beste Geschichte mit dem Titel „Ratte“. Darin thematisiert King, wie bereits etwa in „Shining“ oder „Stark“, einmal mehr den Wahnsinn der Obsession Schreiben. Drew, Universitätsdozent und verheirateter Familienvater, der bisher lediglich einige Kurzgeschichten veröffentlichen konnte, will nun endlich seinen großen Lebenstraum verwirklichen und einen Roman verfassen. Diesen Versuch hatte er schon einmal unternommen, erlitt hierbei aber einen Nervenzusammenbruch und fackelte beinahe sein Haus ab. Er packt Laptop und vorsorglich seine alte Reiseschreibmaschine und zieht sich in die Hütte seines verstorbenen Vaters in die Wälder zurück, sehr zum Missfallen seiner Frau. Es läuft gut, die Story kommt voran, doch irgendwann gerät alles wieder ins Stocken. Zudem zieht ein schwerer Sturm herauf und Drew wird überdies noch krank. Aus Mitleid rettet Drew eines Abends eine Ratte, die erschöpft und dem Tode nahe vor seiner Hütte liegt. In der Nacht beginnt die Ratte, mit ihm zu reden und bietet Drew einen faustischen Pakt an. „Blutige Nachrichten“ ist eine abwechslungsreiche Sache, die vier Geschichten sind inhaltlich und formal sehr unterschiedlich. Auf den Nachtrag zu „Outsider“ hätte ich persönlich verzichten können, die drei anderen Geschichten haben mich aber richtig gepackt, und zwar auf ganz unterschiedliche Arten. Bei „Mr. Harrigans Telefon“ ist es die stetig wachsende Spannung und das tolle Verhältnis zwischen dem jungen Craig und dem verschrobenen alten Mann, „Chucks Leben“ punktet mit einer interessanten Erzählstruktur und trifft auf emotionaler Ebene, während „Ratte“ von der grandios geschilderten Atmosphäre lebt. Und jeder, der schon einmal eine Geschichte zu Papier gebracht hat, kann mit Drew mitfühlen. Insgesamt ein gelungener Band. Im Nachwort wendet sich King wie so oft an die Leserschaft und verliert einige Worte darüber, wie er jeweils zu den Ideen für die Geschichten gekommen ist. Immer wieder interessant, Einblick in den kreativen Schaffensprozess nehmen zu dürfen.

Stephen Kings „Blutige Nachrichten“ (Original: „If it bleeds“) kommt mit vier neuen Kurzromanen im Gepäck, die es zusammen auf über 500 Seiten schaffen. Der Titel ist eine Anspielung auf die in der Nachrichtenbranche beheimatete Redewendung „if it bleeds, it leads“, sinngemäß etwa mit der Bedeutung „je blutiger, desto mehr Aufmerksamkeit, desto höher die Auflage“.

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Herzstück und mit ca. 240 Seiten zugleich längste Erzählung der Sammlung ist dann auch die titelgebende Geschichte „Blutige Nachrichten“, mit der Holly Gibney nach ihren Auftritten als Nebenfigur in „Mr. Mercedes“, „Finderlohn“, „Mindcontrol“ und zuletzt in „Der Outsider“ endlich ihren ersten Soloauftritt bekommt. Die höchst sympathische Ermittlerin mit ihren neurotischen und familiären Problemen hat nach einem schrecklichen Bombenanschlag auf eine Schule einen schrecklichen Verdacht, dem sie nachgeht. Denn der TV-Reporter, der über den feigen Anschlag berichtet, scheint nicht ganz koscher zu sein. Schließlich kommt sie einem weiteren Outsider auf die Schliche und findet ihre Vermutung bestätigt, dass es mehrere dieser Wesen gibt, von denen uns eines bereits im gleichnamigen Roman von Stephen King begegnet ist. Die Geschichte ist - losgelöst von „Der Outsider“ betrachtet - gut und auch recht interessant. Kennt man den Roman aber, so tun sich hier keine neuen Erkenntnisse auf und der Text wirkt wie ein Nachklatsch, den man eigentlich nicht gebraucht hätte. Ein Leser, der den Roman noch nicht kennt, wird leider gespoilert werden und sich fragen, warum er jetzt überhaupt noch den Roman lesen sollte. Das ist der kleine Haken an der Sache. Die nicht mit Überraschungen oder Wendungen ein wenig dahin plätschernde Geschichte lebt von Holly Gibney und ich persönlich würde gerne noch mehr Geschichten mit ihr lesen, weil sie einfach eine interessante und liebenswerte Protagonistin ist. Gerne aber in einem anderen Kontext.

Eine weitere Geschichte ist „Chucks Leben“, mit dem King formal neue Wege beschreitet. Die Story ist in drei Teile gegliedert, die rückwärts, vom Ende her geschrieben sind, um dann, so finde ich, eine wunderbare Offenbarung zu leisten. Es beginnt als apokalyptisches Endzeitszenario, das sich als der Tod eines liebenswerten und geschätzten Familienvaters herausstellt. Die Geschichte zeigt zum einen, dass der Verlust eines geliebten Menschen den Untergang für alle, die ihn liebten, bedeuten kann und spielt zudem ein wenig mit der Idee, was wäre, wenn die Welt nicht real, sondern nur die Gedanken oder der Traum eines anderen Menschen wäre. Eine tolle, sehr runde Geschichte. King mal anders.

Den Beginn macht aber „Mr. Harrigans Telefon“, eine Parabel auf die immer größer werdende Macht und den Einfluss von Smartphones. Wichtig zu wissen ist, dass die Geschichte zeitlich nicht heute, sondern zu Beginn des Aufkommens dieser kleinen technischen Meisterwerke spielt. Der kleine Craig freundet sich mit dem alten Mr. Harrigan an, einem schwerreichen, alleinstehenden Geschäftsmann im Ruhestand, der keine Ahnung von Smartphones hat und auch keines besitzt. Craig, der für Mr. Harrigan Rasen mäht und ihm Bücher vorliest, ändert diesen Zustand und der alte Mann verfällt dem Zauber des Geräts. Natürlich schlägt hier der King-Faktor zu, denn Mr. Harrigan sendet nach seinem Ableben seinem jungen Nachbarsjungen Craig sogar Nachrichten aus dem Jenseits.

Den Abschluss bildet die meiner Meinung nach beste Geschichte mit dem Titel „Ratte“. Darin thematisiert King, wie bereits etwa in „Shining“ oder „Stark“, einmal mehr den Wahnsinn der Obsession Schreiben. Drew, Universitätsdozent und verheirateter Familienvater, der bisher lediglich einige Kurzgeschichten veröffentlichen konnte, will nun endlich seinen großen Lebenstraum verwirklichen und einen Roman verfassen. Diesen Versuch hatte er schon einmal unternommen, erlitt hierbei aber einen Nervenzusammenbruch und fackelte beinahe sein Haus ab. Er packt Laptop und vorsorglich seine alte Reiseschreibmaschine und zieht sich in die Hütte seines verstorbenen Vaters in die Wälder zurück, sehr zum Missfallen seiner Frau. Es läuft gut, die Story kommt voran, doch irgendwann gerät alles wieder ins Stocken. Zudem zieht ein schwerer Sturm herauf und Drew wird überdies noch krank. Aus Mitleid rettet Drew eines Abends eine Ratte, die erschöpft und dem Tode nahe vor seiner Hütte liegt. In der Nacht beginnt die Ratte, mit ihm zu reden und bietet Drew einen faustischen Pakt an.

„Blutige Nachrichten“ ist eine abwechslungsreiche Sache, die vier Geschichten sind inhaltlich und formal sehr unterschiedlich. Auf den Nachtrag zu „Outsider“ hätte ich persönlich verzichten können, die drei anderen Geschichten haben mich aber richtig gepackt, und zwar auf ganz unterschiedliche Arten. Bei „Mr. Harrigans Telefon“ ist es die stetig wachsende Spannung und das tolle Verhältnis zwischen dem jungen Craig und dem verschrobenen alten Mann, „Chucks Leben“ punktet mit einer interessanten Erzählstruktur und trifft auf emotionaler Ebene, während „Ratte“ von der grandios geschilderten Atmosphäre lebt. Und jeder, der schon einmal eine Geschichte zu Papier gebracht hat, kann mit Drew mitfühlen. Insgesamt ein gelungener Band. Im Nachwort wendet sich King wie so oft an die Leserschaft und verliert einige Worte darüber, wie er jeweils zu den Ideen für die Geschichten gekommen ist. Immer wieder interessant, Einblick in den kreativen Schaffensprozess nehmen zu dürfen.

geschrieben am 25.09.2020 | 798 Wörter | 4614 Zeichen

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