ISBN | 3406767206 | |
Autor | Michael Sommer | |
Verlag | C.H.Beck | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 368 | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Extras | - |
Die lateinische Redewendung „Hannibal ad portas“ (Hannibal bei den Toren), die heute vor allem dafür genutzt wird, um vor einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr zu warnen, geht auf jene Zeit zwischen 264 bis 146 v. Chr. zurück, in welcher zwei antike Großmächte, Rom und Karthago, um die Vormachtstellung im westlichen Mittelmeer stritten. Doch wie kam es zu diesem Konflikt?
Ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. betrieb Rom, das damals noch kein Imperium war, eine systematische Expansionspolitik, die zu einer ganzen Reihe militärischer Auseinandersetzungen führte und am Ende Rom zur dominierenden Macht in Italien werden ließ. Nach dem „Galliersturm“ unter Brennus, der bei den Römern tiefe psychologische Spuren hinterließ, wobei die Niederlage in der Schlacht an der Allia im Jahr 387 v. Chr. als „dies ater“ (schwarzer Tag) in die römische Geschichte einging, folgten die Samnitenkriege (342 bis 341 v. Chr., 326 bis 304 v. Chr. und 298 bis 290 v. Chr.) und der Latinerkrieg (340 bis 338 v. Chr.), in deren Rahmen Rom neben einem weitverzweigten Bündnisgeflecht auch eine Reihe von Kolonien an strategisch wichtigen Orten schuf. Die im Zuge dieser Entwicklung in die Wege geleitete Reform des römischen Staatswesens führte im 3. Jahrhundert v. Chr. schließlich dazu, dass sich Rom gegen die Samniten und andere italische Stämme allmählich durchsetzen konnte. Nach und nach fiel die gesamte italienische Halbinsel an Rom, wobei sich die junge Republik um 275 v. Chr. im Süden auch die dortigen griechischen Stadtstaaten einverleibte, nachdem es im Pyrrhischen Krieg gelungen war, den hellenistischen Hegemon Pyrrhos I. von Epiros abzuwehren. Doch in Folge dieser Expansion kamen die Römer unweigerlich auch in Konflikt mit der bisher Rom freundlich gesinnten Handelsrepublik Karthago, was zu den Punischen Kriegen führte – ein übergeordneter Begriff für drei langjährige Kriege, die beinahe in der Eroberung Roms mündete, aber schlussendlich mit der völligen Zerstörung Karthagos ihr Ende fanden.
Dieser konfliktreichen Zeit zwischen den beiden Großmächten Rom und Karthago ist die Publikation „Schwarze Tage“ von Michael Sommer, Professor für Alte Geschichte an der Universität Oldenburg, gewidmet, in welcher auf knapp 368 Seiten jene Ereignisse der römischen Geschichte eingehend und zugleich fesselnd beleuchtet werden, die es Rom ermöglichte, zur dominierenden Hegemonialmacht im Mittelmeerraum aufzusteigen. Das im C.H. Beck Verlag erschienene Buch widmet sich dabei nicht nur inhaltlich den bekannten historischen Daten und Fakten des „Ersten Punischen Krieges“ (264 bis 241 v. Chr.), dem „Zweiten Punischen Krieg“ (218 bis 202 v. Chr.) und dem „Dritten Punischen Krieg“ (149 bis 146 v. Chr.), sondern bezieht auch die überaus komplexe Quellenlage mit ein. So weist der Autor bereits zu Beginn seines Werkes darauf hin, dass im Zuge der völligen Zerstörung von Karthago am Ende des dritten Punischen Krieges nur sehr wenige Dokumente erhalten geblieben sind, die eine karthagische Sicht auf die Ereignisse jener Zeit zulassen würden. Unter diesem Gesichtspunkt, so der Autor, müssen vor allem Quellen von römischen und griechischen Geschichtsschreibern herhalten, wobei die meisten von ihnen erst nach den gegenständlichen Ereignissen lebten. Je nach eigenem Standpunkt waren deren Aufzeichnungen von persönlichen oder politischen Einflüssen geprägt, was zu subjektiven Berichten führte, die man oft nicht ungeprüft als historische Wahrheit übernehmen kann. Ein Buch über die Auseinandersetzungen zwischen Rom und Karthago bedarf daher zunächst einer kritischen Bewertung der Quellen und dann vor allem einer umfangreichen Detektivarbeit, um die Chronik der Ereignisse möglichst lückenlos zu erstellen. In dieser Hinsicht ist dem Autor Michael Sommer ein wirklich großes Kunststück gelungen. Denn er schildert die Entscheidungsprozesse der verschiedenen Akteure jener Zeit so lebendig und anschaulich, wie es die Leser von der politischen Berichterstattung der Gegenwart kennen. Diese Sichtweise fußt dabei nicht auf einem Versuch des Autors, die Geschichte der Vergangenheit für die Gegenwart greifbar zu machen, sondern erwächst aus dem genauen Quellenstudium und den überaus gründlichen Analysen. So wird heute oft betont, dass viele politische und wirtschaftliche Entscheidungen unter Bedingungen unzureichenden Wissens und der damit verbundenen Unsicherheit stehen. Michael Sommer erzählt nun in dieser Hinsicht, wie viele Unternehmungen der Vergangenheit schlicht und einfach schon daran gescheitert sind, dass man die lokalen Bedingungen, die militärische Aufstellung des Feindes und die Absicht des Gegners völlig falsch eingeschätzt hat. Die hierbei aufgeführten Informationen über den Krieg zwischen Rom und Karthago, die mit dem erbitterten Kampf um Sizilien ihren Anfang nahm, sich später mit der vom karthagischen Feldherrn Hannibal Barkas angeführten Alpenüberquerung fortsetzte und mit der völligen Zerstörung Karthagos und der Versklavung seiner Bewohner seinen traurigen Höhepunkt erreichte, schmiegt sich dabei ebenso gelungen in das stimmige Gesamtbild der Publikation, wie auch die qualitativ hochwertige Umsetzung des Werkes durch den C.H. Beck Verlag überzeugen kann.
Obwohl die Quellenlage zu den Punischen Kriegen auf Grund der einseitigen Sichtweise als überaus schwierig zu bewerten ist, gelingt es Michael Sommer mit seiner Publikation „Schwarze Tage“ nicht nur historische Ereignisse der Vergangenheit auf eine didaktisch exzellente Weise zu rekapitulieren. Vielmehr ermöglichen es seine Schilderungen von Entscheidungsprozessen, die das Machtgefüge im Mittelmehrraum nachhaltig verändern sollten, Einblicke in die Geschichte zu erhalten, die einerseits Parallelen zur Gegenwart aufweisen, zum anderen aber auch starke Kontraste bilden.
geschrieben am 10.11.2021 | 820 Wörter | 5058 Zeichen
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