
| ISBN | 3039022385 | |
| Autor | Dominik Flammer | |
| Verlag | AT Verlag (CH) | |
| Sprache | deutsch | |
| Seiten | 248 | |
| Erscheinungsjahr | 2025 | |
| Extras | - |

Schokolade ist weit mehr als ein Genussmittel ? sie ist ein kulturelles Symbol, ein industrieller Erfolg der wirtschaftlichen Transformation und nicht zuletzt ein Ausdruck von kollektiver Identit?t. Bereits im 16. und 17. Jahrhundert gelangte Kakao aus Mittel- und S?damerika nach Europa und fand auch den Weg in die Schweiz ? zun?chst als Getr?nk und Luxusgut in privilegierten Kreisen. Doch erst mit dem Wandel hin zur festen Tafelform, einem Prozess, an dem Schweizer Pioniere und industrielle Fertigungsprozesse einen wesentlichen Beitrag leisteten, wurde die Schokolade auch bei der breiten Bev?lkerung in Europa und dar?ber hinaus allm?hlich begehrt.

Mit der Ver?ffentlichung der Publikation ?Schweizer Schokolade: Alpen, Milch und Pioniere? ist im schweizerischen AT Verlag ein lesenswertes Werk ?ber den Siegeszug der Schokolade erschienen, in welchem es dem Autoren Dominik Flammer, einem der renommiertesten Ern?hrungshistorikern des Alpenraums, gelingt, die s??e Ikone der Alpenrepublik in ihrer ganzen historischen, ?konomischen und ?sthetischen Dimension zu erfassen und interessierten Lesern nahe zu bringen. Dabei wird auf 248 Seiten eine ebenso historisch fundierte wie bildgewaltige Geschichte der s??esten Versuchung der Schweiz erz?hlt und zugleich die Geschichte eines Landes offenbart, das sich von einem agrarisch gepr?gten Milchstaat allm?hlich zu einer Industrienation entwickelt hat. Unterst?tzt von Monica Rottmeyer, der Inhaberin der schweizerischen Agentur Public History Research, bei der Bildrecherche und der Fotografin Tina Sturzenegger, entfaltet Dominik Flammer ein kulturgeschichtliches Panorama, das vom Kakaohandel des 17. Jahrhunderts ?ber die Pionierleistungen von Daniel Peter, Rodolphe Lindt und Henri Nestl? bis zur heutigen Industriefertigung bekannter Marken wie Lindt, Cailler, Villars oder Toblerone reicht. Jedes der Kapitel ist reich mit historischen Werbefotografien, alten Postkarten und Plakaten sowie Fotografien illustriert, die den Wandel des ?Mythos Schokolade? dokumentieren und zugleich den Blick auf Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ?ffnen. Dominik Flammer zeigt dabei eindrucksvoll, dass die Erfolgsgeschichte der Schweizer Schokolade untrennbar mit Migration, technischer Innovation und unternehmerischer K?hnheit verbunden ist. Fr?h eingewanderte Vision?re ? darunter Henri Nestl? (1814 bis 1890) aus Frankfurt am Main oder die amerikanischen Unternehmer Charles (1838 bis 1873) und George Page (1836 bis 1899) ? nutzten die schweizerische Offenheit und Wasserkraft, um Milchverarbeitung und Kakaotechnik zu revolutionieren. Die daraus entstandene Milchschokolade, eine Schweizer Erfindung, avancierte schlie?lich zum Inbegriff alpiner Produktqualit?t und pr?gt das Bild der Schweiz im Ausland bis heute. Dominik Flammer verdeutlicht dabei, wie technologische Innovation (die Conchier-Technik von Rodolphe Lindt), Marketinggenie (die Werbeplakate Suchards und Caillers) und die romantisierte Alpenlandschaft ein Narrativ von Reinheit und Qualit?t entstehen lie?, das bis heute nachwirkt. Doch damit ist nicht Schluss: So beleuchtet das Werk auch die dunkleren Kapitel dieser Geschichte: Die kolonialen Verflechtungen, die rassistischen Bildmotive in der Werbung des 19. und 20. Jahrhunderts sowie die wirtschaftliche Abh?ngigkeit von Kakao aus Ghana und Lateinamerika werden nicht ausgespart. Statt nostalgischer Verkl?rung liefert Dominik Flammer eine reflektierte Auseinandersetzung mit den sozialen, ?kologischen und ethischen Dimensionen der Branche. Damit verweigert er sich einer Glorifizierung der heute hochangesehenen Branche und zeigt, wie sich das Bild der ?heilen Alpenwelt? im Licht der globalen Produktions- und Handelsstrukturen ver?ndert hat. Besonders hervorzuheben ist die dabei Darstellung des modernen Schokoladentourismus. So haben Lindt & Spr?ngli, Camille Bloch, Maestrani oder die Maison Cailler inzwischen eigene Schokoladenerlebiswelten geschaffen, die j?hrlich Hunderttausende Besucher aus aller Welt anziehen. Dominik Flammer analysiert diese Erlebniswelten als zentralen Teil einer neuen Marketingkultur, in der Produktion, Unterhaltung und Markenbindung miteinander verschmelzen. Die Schokolade wird dabei ins Zentrum der B?hne gestellt ? und die Besucher zu Pilgern einer nationalen Ikone. Zugleich wird aber auch die Ambivalenz dieser Entwicklung aufgezeigt, die sich zwischen erfolgreicher Tourismuswirtschaft und der Gefahr bewegt, das Authentische im Zuge der Inszenierung zu verlieren. Die von Dominik Flammer beschriebene Entwicklung des ?Home of Chocolate? von Lindt in Kilchberg am Z?richsee steht exemplarisch f?r diesen Wandel ? eine Kathedrale des Konsums, aber auch ein Denkmal der Ingenieurskunst und des Imageschutzes. Doch auch die kleineren, vor allem handwerklich gepr?gten Schokoladenproduzenten finden in der Publikation ihren Platz: So stehen Marken wie Felchlin, La Flor, Gar?oa oder Casa Nobile f?r einen neuen Trend zu ?Bean-to-Bar?, der f?r Nachhaltigkeit und regionaler Transparenz steht. Dominik Flammer deutet darin einen m?glichen Hoffnungsschimmer f?r die Zukunft und mit ihr die R?ckkehr zu Qualit?t, Herkunft und Handwerk als Gegenentwurf zur industriellen Globalisierung. Auch rein stilistisch betrachtet bleibt er dem Konzept der Publikation durchgehend treu: ein erz?hlerisch dichtes Sachbuch, das wissenschaftliche Pr?zision mit erz?hlerischer Eleganz verbindet. Der Text ist fl?ssig, die Bildauswahl sorgf?ltig komponiert, die Gestaltung ? von Patricia Schwarzenbach ? auf h?chstem Niveau. Damit gelingt eine Verbindung von Lesegenuss und Erkenntnis, wie man sie nur noch selten vorfindet.
Mit der Publikation ?Schweizer Schokolade: Alpen, Milch und Pioniere? ist im schweizerischen AT Verlag ein ebenso informatives wie sinnlich gestaltetes Werk erschienen, das ?sthetik, Identit?t und Wirtschaft in einem ?beraus vielschichtigen Narrativ vereint. Dem Autoren Dominik Flammer gelingt es dabei, die s??e Materie mit historischer Substanz zu versehen, ohne die sinnliche Dimension aus den Augen zu verlieren. Zudem er?ffnet das Werk einen Blick aus mehreren Perspektiven: Es ist zugleich Hommage und kritische Reflexion, Lehrwerk und Kunstband, Erinnerung und Warnung ? dass selbst die s??este Erfolgsgeschichte ihren bitteren Beigeschmack hat. F?r Geschichtsinteressierte, Genie?er und Kulturwissenschaftler gleicherma?en ist die Publikation als Standardwerk anzusehen, mit dem sich die Schokolade neu denken und entdecken l?sst ? als Spiegel eines Landes, das aus Milch, Mut und viel Flei? Weltgeschichte geschrieben hat.
geschrieben am 14.11.2025 | 854 Wörter | 5690 Zeichen
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