ISBN | 361868004X | |
Buchreihe | DKV im Taschenbuch | |
Herausgeber | Jochen Schmidt | |
Autor | Friedrich Hölderlin | |
Verlag | Deutscher Klassiker Verlag | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 1148 | |
Erscheinungsjahr | 2005 | |
Extras | broschierte Ausgabe; Text und Kommentar |
Hölderlin ist jener Dichter der Deutschen, der in einmaliger Weise Dichter und Denker zugleich war. Im Unterschied zu Goethe stand er nicht in einem gespaltenen VerhĂ€ltnis zur groĂen professionellen Philosophie seiner Zeit. Er liebte die von Kant geprĂ€gte Kunst der Begriffe (486) und las ihren Nachfolger Fichte, obwohl der dem fichteschen Idealismus mit seiner Absolutsetzung des Subjekts ablehnend gegenĂŒberstand. Hölderlin â und das wird erst heute deutlich â war dagegen ebenbĂŒrtiger Mitdenker und Weiterdenker. (Vgl. Johannes Heinrichs, Revolution aus Geist und Liebe, 2007) Im Unterschied zu Schiller hatte er die Kantische âRevolution der Denkungsartâ von Anfang an ernst genommen. In Hölderlin ist eine Synergie von Dichten und philosophischem Denken zu finden, die nicht umsonst klagt: âHast du Verstand und ein Herz, so zeige nur eines von beiden, beides verdammen sie dir, zeigest du beides zugleich.â
Als groĂer Lyriker wurde Hölderlin erst im 20. Jahrhundert entdeckt. Die IntensitĂ€t eines von allem Dekorativen befreiten Sagens, die kĂŒhne Metaphorik und die Sprengung konventioneller Normen, insbesondere in den Gedichten nach 1800, lieĂ Hölderlin als Vorboten und zugleich schon frĂŒhen Vollender moderner Ausdruckskunst erscheinen. Hinzu kommt noch eine ebenfalls einzigartige ĂberfĂŒlle der unkonventionellen Bilder, welche die Strenge der GedankenfĂŒhrung zugleich unterstĂŒtzen wie bis zur Unmerklichkeit dieser Strenge auflockern, ganz im Unterschied zu einer barocken Art von Ăberfluss. Der Hölderlinsche Ăberreichtum ein Bildern hat seine Wurzeln nicht im Spielerischen, sondern in einem kĂ€mpferischen Ringen um den niemals abgeschlossenen Ausdruck eines Unendlichen.
Dennoch stehen Hölderlins Gedichte im geistigen Horizont der Zeit: Empfindsamkeit, Deutscher Idealismus, Französische Revolution, Philhellenismus, Rousseaus Wendung zur 'Natur', die hyperbolische Steigerung des 'Dichterischen' â sie verleihen seiner Poesie ihre geschichtliche Kontur. Die vorliegende Ausgabe bietet eine chronologische Ordnung Hölderlins Gedichte mit einer textkritischen Beschreibung. Alle Abweichungen gegenĂŒber der GroĂen Stuttgarter Ausgabe werden in den Kommentaren erlĂ€utert. Aufgrund ihres Schwierigkeitsgrades und ihres Voraussetzungsreichtums bedarf Hölderlins Lyrik einer intensiven ErschlieĂung, zu der hiermit ein treffliches Werk vorliegt, mit dem sich alle Gedichte studieren und verstehen lassen.
Die Ausgabe bietet daher ErlĂ€uterungen, die ĂŒber das Bisherige hinausgehen. Den bedeutenden und komplexen Gedichten gelten umfassende Ăberblickskommentare. Sie sollen zu einem ganzheitlichen VerstĂ€ndnis hinfĂŒhren. Aber auch fĂŒr die EinzelerlĂ€uterungen wurden ganze Bereiche erstmals erschlossen, so daĂ nun viele Texte besser verstĂ€ndlich oder ĂŒberhaupt erst zugĂ€nglich geworden sind. Zentrale Gedichte wie âHĂ€lfte des Lebensâ, vor deren Ăppigkeit das damalige ZeitverstĂ€ndnis versagte, sind damit verstĂ€ndlich und nachschlagbar. Es setzt sich damit heute ein Hauch jener Faszination an Hölderlin fort, die 1913-1916 erstmals schon der Hölderlin-Herausgeber Norbert von Hellingrath mit seiner Herausgabe des damals bekannten Gesamtwerkes, von dem insbesondere der vierte Band nachwirken sollte, entfachte. Was Hölderlin von Schiller und Goethe unterschied â und auch das reprĂ€sentieren die vorliegenden Seiten â war die Kraft der Vorstellung einer wahren Kultur, eines universalen Lebenszusammenhangs, die Idee, daĂ Deutschland zur Hervorbringung einer solchen Kultur berufen sei und die Betonung des Evolutionsgedankens nach der gescheiterten Revolution in Frankreich.
Die meisten Gedichte verdeutlichen die Unendlichkeit der Distanz zwischen der Welt und dem sich zurĂŒcknehmenden Ich. So entsteht nunmehr ein verstĂ€ndliches Bild von Hölderlin, der entsprechend schrieb:
âEin Zeichen sind wir, deutungslos,
Schmerzlos sind wir und haben fast
Die Sprache in der Fremde verloren.â
geschrieben am 18.03.2008 | 516 Wörter | 3460 Zeichen
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