ISBN | 3867177252 | |
Autor | Mario Vargas Llosa | |
Verlag | DHV Der Hörverlag | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | - | |
Erscheinungsjahr | 2010 | |
Extras | - |
Weltliteratur als famoses Hörspiel
Manchmal erschlagen einen die Synchronizitäten förmlich. Eben erst hat der Hörverlag das mehrfach prämierte Werk Tante Julia und der Kunstschreiber des peruanischen Schriftstellers Mario Vargas Llosa als Hörbuch herausgegeben, schon heimste der gute Mann den Literaturnobelpreis ein. Explizit nicht nur für dieses Werk allein, das nebenbei ja schon über dreißig Jahre auf dem Buckel hat, aber eben auch, so dass es eine bessere Werbung kaum geben kann. Bevor nun aber alle sich einfach aufgrund der Auszeichnung (siehe Herta Müller) in die Buchläden stürzen, sei dezidiert auf die Klasse dieses Stückes verwiesen und vor allen Dingen die formidable Hörbuchübertragung erwähnt.
1979 erschien die erste deutsche Übersetzung dieses Stückes noch mit dem Titel "Julia und der Lohnschreiber", was aber ebenso wie die heutige Übersetzung Kunstschreiber nicht wirklich den Nagel auf den Kopf trifft. Denn der junge Student Mario ist in erster Linie ein Andersschreiber, indem er bereits fertige Nachrichten für einen Radiosender marginal verändert, und darüber hinaus die Hauptperson dieses Buches. Ein weiterer Schreiber, nämlich Pedro, der die auch in Europa als Schmähkunst verrufenen südamerikanischen Seifenopern in einer Hörspielfassung entwirft, ist vor allen Dingen ein Vielschreiber, aber auch ein Ungenauschreiber, schleichen sich doch in seine Skripte allen nur ihm nicht erkenntliche, unlogische Zusammenhänge ein. Egal, ob nun die Übersetzung korrekt getroffen ist, Tante Julia kommt tatsächlich und wirbelt dabei eine ganze Menge Staub auf.
Tatsächlich ist Marios Tante schon deutlich älter als der junge angehende Rechtswissenschaftler, dabei aber nicht minder attraktiv und so entwickelt sich als einer von mehreren Plots dieser Geschichte eine Liebesbeziehung, die deutsche Leser, wenn auch mit anderem Hintergrund, von Bernhard Schlinks Vorleser kennen. Junger Mann trifft reife Frau wäre an sich ja schon nicht gesellschaftskonform - das es sich dabei zudem um eine zwar nur entfernte Blutsverwandte handelt, stört im lateinamerikanischen Großfamiliengeflecht aber ebenso wenig.
Plot Nummer Zwei ist eben Pedros Selfmade-Hörspieluniversum (er ist Autor, Produzent und Regisseur in einem) und seine durch Überlastung geschuldete Schusseligkeit, die der Story, respektive den in der Geschichte selbst erzählten Storys, einen komischen Reiz schenkt. Bisweilen ziehen einen diese metafiktiven Bonbons (wenn man erfundene Geschichten in einer erfundenen Geschichte mal so nennen darf) so sehr in den Bann, dass man als Leser/Hörer ganz traurig ist, wenn diese plötzlich abrupt enden, um den Charakter des Schreibers und der eigentlichen Geschichte hervorzuheben. Doch durch die geschickten Wechsel und die klare, poetische Sprache kann man dieser abstrusen Melange trotz der vermeintlichen Lücken nur mit Freude und Spannung folgen.
Dieses seit vielen Jahren als eines der wichtigsten südamerikanischen Bücher überhaupt gefeierte Werk zu kommentieren ist hier also weniger vonnöten als auf die Hörbuchfassung einzugehen, die tatsächlich als meisterhaft arrangiertes und produziertes Hörspiel daherkommt. Auch wenn die langen Erzählparts, zumeist vom Sprecher des Mario übernommen, an ein Hörbuch erinnern, sind die Aktions- und Dialogsszenen gewürzt mit lebendigen und facettenreichen Kommunikationsschaubühnen. Neben all der Ernsthaftigkeit und Tragik, die an manchen Stellen durchscheinen will, geht der Humor, das zentrale Element dieses Werkes, niemals verloren. Alle Sprecherinnen und Sprecher zeichnen diese leicht ironischen Intonationen aus, die dieser Bearbeitung einen unnachahmlichen Charme verleihen. Vor allen Dingen Christoph Bantzer als pfiffiger Pedro hat ein ums andere Mal die Lacher auf seiner Seite.
Die Produktion wurde bereits 2002 vom Schweizer Radio umgesetzt und verzichtet zu größten Teilen auf Musik und Nebengeräusche. Die Folge ist eine Konzentration aufs Wesentliche, nämlich die Personen und vor allen Dingen deren Erzählungen, die ja - Kunst- und Lohnschreiber hin oder her- den Esprit dieses Werkes ausmachen. Ganz gewiß ist es kein Zufall, dass die Grandezza des Mario Vargas Llosa, die starke Produktion des Hörspiels und die feine Herausgabe dieser zehn CDs vom Hörverlag in den Moment fallen, wo der Literaturnobelpreis nach Peru geht. Da kann man dann einfach nicht mehr drüber hinwegsehen und sollte unbedingt zuschlagen.
geschrieben am 06.02.2011 | 620 Wörter | 3841 Zeichen
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