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Die Pressefotografie


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Rezension von

Benjamin Städter

Die Pressefotografie Fotografien sind für uns wie ein Fenster in die Welt, stellte Gisèle Freund bereits in den 1970er Jahren fest. In der massenmedialen Gesellschaft gelten sie als das vielleicht prägendste Medium unserer Zeit. Durch sie bilden wir unsere Meinungen über Ereignisse, Personen und Orte, die wir nicht mit eigenen Augen sehen können. Die Journalistin Astrid Jacobi hat nun eine Arbeit vorgelegt, die nicht weniger für sich in Anspruch nimmt, als Geschichte, Entwicklung und Ethik des Fotojournalismus zu beleuchten. Jacobis Ausführungen beginnen mit einer recht knappen Zusammenschau zur Geschichte der Fotografie und der Entwicklung des Fotojournalismus. Die Ursprünge der Pressefotografie werden in den drei Genres Reisefotografie, Kriegsfotografie und Sozialdokumentation auf drei Seiten abgehandelt. Die einzelnen Punkte wirken dabei recht anekdotisch, weder scheint die Autorin die neuere Literatur zum Thema zu kennen [1], noch ist sie an einer wirklich substantiellen Aufarbeitung der drei Themenfelder interessiert: Wie sonst erklärt es sich etwa, dass sie für das Thema Sozialdokumentation solch einschneidende und stilbildende Fotoserien wie die Dokumentation der Farm Security Administration auslässt, die zwischen 1935 und 1944 die Armut der US-amerikanischen Landbevölkerung portraitierte. Gänzlich fragwürdig gerät das Kapitel über prägende Fotografen. Den vier ausgewählten Fotografen (Erich Salomon, Felix H. Man, Robert Capa und Heinrich Hoffmann) kann eine herausragende Bedeutung ohne Zweifel nicht abgesprochen werden, warum es aber gerade diese vier sind, deren Biografien die Autorin kurz skizziert, und andere (nicht minder bedeutende) Fotografen nicht erwähnt werden, bleibt unbeantwortet. Gänzlich unverständlich ist Jacobis Schnitt, den sie mit Heinrich Hoffmann zum Zweiten Weltkrieg setzt. Gerade die blühende Illustriertenlandschaft in der frühen Bundesrepublik mit zahlreichen bedeutenden Bildjournalisten wie Max Scheler, Robert Lebeck oder Thomas Hoepker (heute immerhin Präsident der renommierten Fotoagentur Magnum) hätte in der Diskussion über die Entwicklung der Pressefotografie keineswegs ausgelassen werden dürfen. Ferner wimmelt es in Jacobis Skizzen nur so von Fehlern und fragwürdigen Thesen, die ohne jeden Beleg in den Raum gestellt werden: Felix H. Man wurde in den 1920er Jahren von der Münchener Illustrirten Presse sicher nicht in DM bezahlt, wie Jacobi behauptet, die gab es in (West)deutschland erst seit der Währungsreform von 1948. Wie die Autorin zu dem Urteil kommt, dass Heinrich Hoffmann der mächtigste Mann in der nationalsozialistischen Illustriertenpresse gewesen sei, erläutert sie nicht. Ein Blick in die grundlegende Literatur zum Thema Medien im Nationalsozialismus [2] hätte diese recht oberflächliche These sicher ein wenig differenzierter ausfallen lassen. Stattdessen verlässt sich die Autorin auf die Einträge der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Das Kapitel „Der aktuelle Stand der Pressefotografie“ beschäftigt sich mit den Preisträgern des World Press Award 2005, verschiedenen Presseagenturen und der digitalen Fotografie, die auf zwei Seiten vorgestellt wird. Bei der Beschreibung der Fotografien des World Press Award verweist die Autorin immer wieder auf den Anhang des Buches, in dem einzelne Bilder abgedruckt sind, oft aber in einer recht schlechten Qualität und in Schwarzweiß. Jacobis Bildanalysen geraten leidlich oberflächlich. So verkommt etwa die Diskussion einer Fotoserie von James Hill, die das Geiseldrama von Beslan von 2004 dokumentiert, zu einer reinen Motivbeschreibung. Was die Qualität der Serie ausmacht, was sie von anderen Serien heraushebt, wird nicht beleuchtet. Ebenso unklar bleibt, inwiefern die diskutierten Fotografien insgesamt den aktuellen Stand der Pressefotografie widerspiegeln, welche ästhetischen Qualitäten sie zu Beispielen einer modernen Fotografie machen. Auch dem dritten Kapitel über die „gesellschaftlichen Aspekte“ der Pressefotografie hätte eine ausführlichere Lektüre der bereits vorhandenen Literatur sicher gut getan. So fragt sich der Leser, warum etwa in den Ausführungen über das „objektive Bild“ grundlegende Darstellungen wie die Pierre Bourdieus [3], Roland Barthes [4] oder auch (aus der Sicht eines Verlegers) Karl Paweks [5] keinerlei Berücksichtigung finden. Auch die Diskussion über Bildmanipulationen hätte sich, wenn sie mehr als eine Ansammlung von Anekdoten sein möchte, nicht auf die Aufzählung einzelner Beispiele beschränken sollen, sondern vielmehr die Mechanismen der Medienlandschaft, die hinter den Manipulationen stehen, ins Auge nehmen sollen. So bieten die Ausführungen Jacobis keine neuen Einsichten, vielmehr präsentiert die Autorin eine Zusammenschau aus recht unsystematisch und lückenhaft bibliographierter Sekundärliteratur. Bei einem stolzen Preis von immerhin 49 Euro hätte der Leser mehr erwarten können. --- [1] Für die Kriegsfotografie etwa: Gerhard Paul: Bilder des Krieges. Krieg der Bilder, Paderborn, München, Wien, Zürich 2004; Ute Daniel (Hg.): Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. zum 21. Jahrhundert, Göttingen 2006. [2] Etwa: Norbert Frei, Johannes Schmitz, Journalismus im Dritten Reich, 3. Aufl. München 1999. [3] Pierre Bourdieu: "Die gesellschaftliche Definition der Photographie", in: ders. (Hg.), Eine illegitime Kunst. Die sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie, Hamburg 2006, S. 85-109. [4] Roland Barthes: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn, Frankfurt a.M. 1990. [5] Karl Pawek: "Der Streit um die Photographie", in: ders. (Hg.), Panoptikum oder Wirklichkeit. Der Streit um die Photographie, Hamburg 1965, S. 5-17.

Fotografien sind für uns wie ein Fenster in die Welt, stellte Gisèle Freund bereits in den 1970er Jahren fest. In der massenmedialen Gesellschaft gelten sie als das vielleicht prägendste Medium unserer Zeit. Durch sie bilden wir unsere Meinungen über Ereignisse, Personen und Orte, die wir nicht mit eigenen Augen sehen können. Die Journalistin Astrid Jacobi hat nun eine Arbeit vorgelegt, die nicht weniger für sich in Anspruch nimmt, als Geschichte, Entwicklung und Ethik des Fotojournalismus zu beleuchten.

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Jacobis Ausführungen beginnen mit einer recht knappen Zusammenschau zur Geschichte der Fotografie und der Entwicklung des Fotojournalismus. Die Ursprünge der Pressefotografie werden in den drei Genres Reisefotografie, Kriegsfotografie und Sozialdokumentation auf drei Seiten abgehandelt. Die einzelnen Punkte wirken dabei recht anekdotisch, weder scheint die Autorin die neuere Literatur zum Thema zu kennen [1], noch ist sie an einer wirklich substantiellen Aufarbeitung der drei Themenfelder interessiert: Wie sonst erklärt es sich etwa, dass sie für das Thema Sozialdokumentation solch einschneidende und stilbildende Fotoserien wie die Dokumentation der Farm Security Administration auslässt, die zwischen 1935 und 1944 die Armut der US-amerikanischen Landbevölkerung portraitierte. Gänzlich fragwürdig gerät das Kapitel über prägende Fotografen. Den vier ausgewählten Fotografen (Erich Salomon, Felix H. Man, Robert Capa und Heinrich Hoffmann) kann eine herausragende Bedeutung ohne Zweifel nicht abgesprochen werden, warum es aber gerade diese vier sind, deren Biografien die Autorin kurz skizziert, und andere (nicht minder bedeutende) Fotografen nicht erwähnt werden, bleibt unbeantwortet. Gänzlich unverständlich ist Jacobis Schnitt, den sie mit Heinrich Hoffmann zum Zweiten Weltkrieg setzt. Gerade die blühende Illustriertenlandschaft in der frühen Bundesrepublik mit zahlreichen bedeutenden Bildjournalisten wie Max Scheler, Robert Lebeck oder Thomas Hoepker (heute immerhin Präsident der renommierten Fotoagentur Magnum) hätte in der Diskussion über die Entwicklung der Pressefotografie keineswegs ausgelassen werden dürfen. Ferner wimmelt es in Jacobis Skizzen nur so von Fehlern und fragwürdigen Thesen, die ohne jeden Beleg in den Raum gestellt werden: Felix H. Man wurde in den 1920er Jahren von der Münchener Illustrirten Presse sicher nicht in DM bezahlt, wie Jacobi behauptet, die gab es in (West)deutschland erst seit der Währungsreform von 1948. Wie die Autorin zu dem Urteil kommt, dass Heinrich Hoffmann der mächtigste Mann in der nationalsozialistischen Illustriertenpresse gewesen sei, erläutert sie nicht. Ein Blick in die grundlegende Literatur zum Thema Medien im Nationalsozialismus [2] hätte diese recht oberflächliche These sicher ein wenig differenzierter ausfallen lassen. Stattdessen verlässt sich die Autorin auf die Einträge der Online-Enzyklopädie Wikipedia.

Das Kapitel „Der aktuelle Stand der Pressefotografie“ beschäftigt sich mit den Preisträgern des World Press Award 2005, verschiedenen Presseagenturen und der digitalen Fotografie, die auf zwei Seiten vorgestellt wird. Bei der Beschreibung der Fotografien des World Press Award verweist die Autorin immer wieder auf den Anhang des Buches, in dem einzelne Bilder abgedruckt sind, oft aber in einer recht schlechten Qualität und in Schwarzweiß. Jacobis Bildanalysen geraten leidlich oberflächlich. So verkommt etwa die Diskussion einer Fotoserie von James Hill, die das Geiseldrama von Beslan von 2004 dokumentiert, zu einer reinen Motivbeschreibung. Was die Qualität der Serie ausmacht, was sie von anderen Serien heraushebt, wird nicht beleuchtet. Ebenso unklar bleibt, inwiefern die diskutierten Fotografien insgesamt den aktuellen Stand der Pressefotografie widerspiegeln, welche ästhetischen Qualitäten sie zu Beispielen einer modernen Fotografie machen.

Auch dem dritten Kapitel über die „gesellschaftlichen Aspekte“ der Pressefotografie hätte eine ausführlichere Lektüre der bereits vorhandenen Literatur sicher gut getan. So fragt sich der Leser, warum etwa in den Ausführungen über das „objektive Bild“ grundlegende Darstellungen wie die Pierre Bourdieus [3], Roland Barthes [4] oder auch (aus der Sicht eines Verlegers) Karl Paweks [5] keinerlei Berücksichtigung finden. Auch die Diskussion über Bildmanipulationen hätte sich, wenn sie mehr als eine Ansammlung von Anekdoten sein möchte, nicht auf die Aufzählung einzelner Beispiele beschränken sollen, sondern vielmehr die Mechanismen der Medienlandschaft, die hinter den Manipulationen stehen, ins Auge nehmen sollen.

So bieten die Ausführungen Jacobis keine neuen Einsichten, vielmehr präsentiert die Autorin eine Zusammenschau aus recht unsystematisch und lückenhaft bibliographierter Sekundärliteratur. Bei einem stolzen Preis von immerhin 49 Euro hätte der Leser mehr erwarten können.

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[1] Für die Kriegsfotografie etwa: Gerhard Paul: Bilder des Krieges. Krieg der Bilder, Paderborn, München, Wien, Zürich 2004; Ute Daniel (Hg.): Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. zum 21. Jahrhundert, Göttingen 2006.

[2] Etwa: Norbert Frei, Johannes Schmitz, Journalismus im Dritten Reich, 3. Aufl. München 1999.

[3] Pierre Bourdieu: "Die gesellschaftliche Definition der Photographie", in: ders. (Hg.), Eine illegitime Kunst. Die sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie, Hamburg 2006, S. 85-109.

[4] Roland Barthes: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn, Frankfurt a.M. 1990.

[5] Karl Pawek: "Der Streit um die Photographie", in: ders. (Hg.), Panoptikum oder Wirklichkeit. Der Streit um die Photographie, Hamburg 1965, S. 5-17.

geschrieben am 21.12.2007 | 762 Wörter | 4838 Zeichen

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